Sulona schaute auf und beugte sich ein wenig nach vorne. Beweg dich nicht. Du hast ziemlich schwere Wunden. Keine Angst du bist hier in Sicherheit. Niemand hier wird dir etwas tun.

Wann sollte das schon so sein⁣?, knurrte der junge Mann. Erst wollte er sich aufrichten, sank dann aber wieder nach hinten. Verdammt tut das weh.

Ich sagte doch nicht bewegen, meinte die junge Frau sanft. Du bist in einer der Festen der schwarzen Legion. Hier wird dir wirklich niemand etwas tun. Ich bin Sulona.

Ach lass mich, knurrte er. Schwarze Legion, was soll das sein. Etwa diese Rebellen, die eh nichts ausrichten können, wie passend. Man sagt, ihr habt nicht einmal einen richtigen Anführer. Hat doch nichts mit der Legion von damals zu tun. So ein Unsinn.

Sulona starrte den jungen Mann an. Plötzlich hatte die Frau auch schon ihre Hand erhoben und gab dem jungen Mann eine saftige Ohrfeige. Sie schaute den jungen Mann sauer an. Kurz atmete sie tief ein. Du hast sicher eine harte Zeit hinter dir. Das gibt dir aber nicht das Recht, so herablassend zu sein. Die Legion mag nicht mehr so zu sein, wie sie einst war. Doch geben wir alle unser Bestes. Es ist doch völlig egal, ob wir einen richtigen Anführer haben oder nicht, solange wir unser Ziel vor den Augen nicht verlieren.

Und was ist dieses Ziel?, murrte Fayt und rieb sich die Wange. Die Unschuldigen vor der Inquisition und dem Tyrannen zu retten. Na Bravo da habt ihr aber glorreich versagt, wenn ich mir die Berge der Leichen anschaue.

Sulona starrte den jungen Mann fassungslos an. Was erwartest du eigentlich? Dass wir am besten an jedem Ort in Nerevar gleichzeitig auftauchen, um diese Tyrannen aufzuhalten? Das können wir leider nicht sein. Denkst du, uns gefällt es, dass so viele mit ihrem Leben bezahlen müssen. Mach uns nicht für deine Probleme verantwortlich. Sei lieber froh, dass wir dich mitgenommen haben. Wir hätten es auch sein lassen können. Doch dann wären wir wie diese Monster. Also komm nicht auf die Idee uns mit ihnen gleichzusetzen.

Fayt gab einen abfälligen Laut von sich. Ich hab euch doch nicht einmal mit diesen Leuten verglichen, aber wenn du es so willst bitte. Unterstelle es mir halt. Nun stand eine weitere Person an der Tür. Die junge Frau unterstellt dir gar nichts. Es war Wahn, der nun sprach. Eure Diskussion ist bis draußen zu hören. Er kam etwas näher. Auch wenn die Legion nicht mehr das ist, was sie einmal war. So schlägt ihr Herz immer noch für die alten Rechte. Frei zu sein von Zwang und Leid. Sie haben keinen Anführer. Mag sein. Aber brauchen sie den einen? Der Thron wird nicht umsonst leer stehen. Sie tun, was sie können und müssen jeden Tag aufs neue darauf achten, dass das, was sie sich hier aufgebaut haben, nicht einfach niedergerissen wird. Bis auf die Türme schützt diese Stadt nur ihr eiserner Wille. Das macht die Legion aus. So soll sie sein. Wieder schnaubte Fayt. Mir kann man eh nicht helfen. Ihr habt ja keine Ahnung. Wahn schüttelte den Kopf. Mehr Ahnung, als du glaubst. Aber lassen wir es gut sein. Wenn du den Unnahbaren spielen willst, dann tu es. Ich war früher nicht anders. Aber ich hatte meine Gründe. Die hast du sicherlich auch. Wäre nur nett, wenn du sie uns eines Tages mitteilen würdest. Aber das liegt an dir. Da hänge ich mich nicht rein. Fayt sah den Mann nachdenklich an.

Sulona schaute den jungen Mann auf dem Bett musternd an. Was auch immer ihm widerfahren war, es muss schwer gewesen sein. Die junge Frau war gerade ziemlich froh, dass Wahn in das Zimmer gekommen war. Kurz atmete sie tief ein, um sich innerlich etwas zu beruhigen. Was der junge Mann gesagt hatte, hatte sie schwer getroffen. Würdest du uns wenigstens deinen Namen sagen? Oder sollen wir dich die ganze Zeit mit du anredest.

Der junge Mann stemmte sich etwas hoch. Dann hob er seinen rechten Arm so das die Unterseite zu den anderen zeigte. Laut, dem da, wäre es Fayt, aber so seltsam es auch klingen mag. Ich weiß es nicht wirklich. Kann mich nicht erinnern. Wahn erinnerte sich an die Wunde an dem Arm des jungen Mannes. Es sah aus, als sei der Name hineingeritzt worden. Nur warum sollte man so etwas tun?

Fayt, brachte Sulona nur kurz über die Lippen. Es sah fast so aus, als wolle die junge Frau einfach umfallen, doch hielt sie sich auf den Beinen. Auch wenn sie plötzlich ganz bleich wurde. Wenn du sagt, du kannst dich nicht erinnern, meinst du dann an gar nichts? Oder ist da noch etwas?, fragte sie etwas leise. Konnte es nun wirklich sein? Gab es denn solche Zufälle? Nicht nur die Haare und Gesichtszüge waren gleich. Jetzt war es der Name auch.

Ich erinnere mich nur daran, dass ich irgendwann erwachte und ein Mann und eine Frau tot auf dem Fußboden eines Hauses lagen. Dann bin ich geflohen. Tief in den Wald rein. Irgendjemand kam und mir wurde schwarz vor Augen, mehr weiß ich nicht. Er fasste sich kurz an ein seltsames Halsband, das er umliegen hatte. Es schien aus einer Art Metall zu sein. Wahn musterte es etwas.

Die schwarzhaarige Frau stand da und ballte ihre Hände zur Faust. Sulona?, fragte plötzlich Sailin. Die Hüterin stand schon eine ganze Weile in der Tür. Als du umgekippt bist, in dem Wald, wo wir den jungen Mann fanden, da sagtest du Fayt. Wenn du seinen Namen auf dem Arm schon gesehen hattest, warum hast du dann gerade nach ihm gefragt? Die Angesprochene sah den jungen Mann auf dem Bett an. Dann drehte sie sich zu Sailin um. Weil ich den Namen auf dem Arm nicht gesehen habe. Aber woher wusstest du es dann?, wollte Sailin wissen. Sulona schüttelte nur den Kopf und stürmte aus dem Zimmer. Sailin schaute ihr verwirrt hinterher. Dann sah sie zu Wahn und Fayt. Ich kenne sie nicht lange, aber das kam mir selbst für sie komisch vor.

Ray lief gerade seine Runden, als Soluna auf ihn zugelaufen kam. Auch wenn es nicht aussah als wolle sie zu ihm. Was ist denn dir über die Leber gelaufen?, fragte er und konnte nur noch verdattert hinterhersehen, als sie an ihm vorbeirannte. Hä?

Sulona konnte es einfach nicht glauben. Hatte sie ihn nach so vielen Jahren wirklich gefunden? Doch hatte sie nun überhaupt das Recht, ihm alles zu sagen und zu offenbaren? Was er ihr gesagt hatte, stimmte. Sie waren zu nichts fähig. Sie schafften es nicht, gegen die Hüterinnen anzukommen. Immer mehr Leute starben. Sulona stand auf der Mauer und schaute auf ihre Hände. Diese zitterten. Sie hatte versagt. Ewig hat sie nach ihm gesucht. Und jetzt? Sie konnte nur dabei zusehen, wie ihm so etwas Schreckliches angetan worden war. Hatte nur ohnmächtig dastehen können, während sie ihm das antaten. Sie. Diese Leute der Inquisition. Sulona drehte sich um und ballte ihre Hände zur Faust, während sie zornig auf das Gebäude schaute, in welchem Fayt lag. Sie würden dafür bezahlen, dass sie ihm dies angetan hatten.

Es war am nächsten Morgen, als Kyle in den großen Beratungsraum kam. Dort saßen Wahn und Nocturn zusammen mit Sailin. Die junge Frau schaute auf. Was ist los?, fragte Sailin gleich, als sie den besorgten Gesichtsausdruck des Mannes sah. Habt ihr Sulona gesehen? Ich suche sie jetzt schon eine ganze Weile. In ihrem Zimmer war sie nicht und ihr Bogen und der Dolch sind auch weg. Da ist was nicht in Ordnung. Sie würde nie einfach so verschwinden.