Sulona schaute kurz zu Wahn und dann wieder zu Nocturn. Komm, versuch dir jetzt nicht irgendeine Ausrede einfallen zu lassen, murrte Raven nach einiger Zeit. Sag einfach warum. Du hast uns schließlich dadurch alle in Gefahr gebracht. Hast du darüber vielleicht mal nachgedacht? Sulona schaute ruckartig den rothaarigen Mann an. Ihr hättet ja nicht kommen brauchen. Niemand hat euch darum gebeten. Also beschwer dich nicht, wenn du dich selbst in Gefahr begibst, weil du mir folgen musstest, knurrte sie ihn an. Du bist rücksichtslos und arrogant, weißt du das eigentlich, murrte Raven jetzt zurück. Du hattest nie eine Chance gegen sie und trotzdem musstest du dorthin gehen? Nur weil jemand vielleicht deine Gefühle etwas angekratzt hat? Sailin sah erschrocken auf, als die Augen Sulonas plötzlich rot aufglühten. Du hast keine Ahnung wie es in mir aussieht, also spar dir deine Sprüche Raven. Ich habe es einfach nicht mehr ertragen. Sie tun und machen, was sie wollen. So viele haben unter ihnen leiden müssen. Und nun haben sie ihm das angetan. Ich stand einfach dabei und konnte nur zusehen, während sie ihm so etwas Grausames angetan haben. Ich wollte das sie dafür bezahlen. Sulona zitterte am ganzen Leib. Tränen sammelten sich in ihren Augen. Wen meinst du mit ihm?, fragte Kyle die junge Frau. So kannte er sie nicht. Normalerweise war Sulona eine starke Frau. Doch nicht etwa diesen Fayt?

Wahn legte den Kopf schief, als er die glühenden Augen bemerkte. Sie schien keine einfache Elfe zu sein. Dann kniete er sich herunter. Dieser Junge. Du scheinst ihn zu kennen. Für jemand völlig fremdes bringt man sich nicht in eine ausweglose Situation. Nicht so unüberlegt. Was hat es mit ihm auf sich?

Sulona schaute Wahn an und schluckte schwer. Es schien, als wusste sie nicht ganz, wie sie es sagen sollte. Er ist mir nicht fremd. Auch wenn er sich nicht erinnert und mich nicht kennt, so werde ich immer seine Schwester sein. Raven entglitten die Gesichtszüge. Wie Schwester? Sulona nickte. Er ist mein Bruder. Auch wenn wir nicht so aussehen, sind wir Zwillinge.

Ray sah sich verwirrt um. Ist jetzt nicht dein Ernst. Der Kerl ist kein Mensch und ein Elf ist er auch nicht. Wie kann er dein Bruder sein?, fragte er. Wahn richtete sich auf. Die Zeit kann Leute verändern. Es könnte einfach viel passiert sein. Außerdem scheint Soluna auch nicht gerade ein einfacher Elf zu sein.

Sailin sah Sulona an. Du hast auf jeden Fall Dämonenblut in dir stimmts? Woher willst du das wissen?, fragte Raven und stand wieder auf. Ihre Augen. Sie haben dieses Leuchten gehabt. Sulona seufzte. Du hast es geschafft mich so aufzuregen, dass es herauskam. Es ist wahr. Ich bin keine normale Elfe. Fayt ist auch kein Mensch. Unsere Mutter ist eine Elfe, während unser Vater ein Halbdämon ist. Während ich eher nach unserer Mutter komme, hat Fayt mehr von unserem Vater. Ich stamme auch nicht aus Nerevar, sondern aus einem anderen Land. Deswegen hat es mich so schockiert, Fayt hier zu treffen.
Kyle schaute verblüfft zu der jungen Frau. Wer hätte das gedacht?

Äm Moment mal, meinte Ray nun. Langsam wird mir das zu viel Input. Also. Habe ich das jetzt richtig verstanden. Die bist die Tochter eines Halbdämons und einer Elfe zusammen. Welcher Dämon wurde sich denn mit einer Elfe einlassen oder umgekehrt und wenn du nicht aus Nerrevar kommst, woher kommst du dann?

Sailin musste auf Rays Kommentar hin schmunzeln. Sie und Wahn kannten einen Dämon, welcher sich mit einer Elfe eingelassen hatte. Sulona sah zu Ray. Ich komme aus dem Land Aeon, welches weit im Westen liegt. Sailin starrte die schwarhaarige Frau nun fragend an. Das konnte doch kein Zufall sein, oder? Das war doch das Land, aus welchem die beiden kamen. Sag jetzt nicht, deine Eltern heißen Varresh und Trin., fragte die Hüterin schließlich. Sulona schaute sie etwas irritiert an und nickte schließlich. Varresh Vizarr und Trin Alania, sagte sie. Aber woher weißt du das? Sailin lachte kurz auf und schaute zu Wahn. Das gibts doch nicht.

Varresh Vizarr, der Lord aus Drakar, er und Trin unterstützten uns bei der Schlacht gegen die beiden großen Dämonen. Außerdem haben sie mich mal eine Zeit lang gejagt. Weil sie auf eine falsche Fährte gelockt worden sind. Wahn musste ebenfalls etwas grinsen. Was für ein Zufall. Ich wusste ja das, Trin schwanger war, aber hätte nie gedacht hier ihre Kinder zu treffen.

Ich bin nun völlig verwirrt, meinte Raven nur. Nicht nur, dass unser Mentor euch kennt. Nein, jetzt kennt ihr auch noch Sulonas Eltern. Der Rothaarige schaute zu der jungen Frau. Warum bist du hier in Nerevar, wenn deine Familie in diesem Aeon lebt? Machen die sich denn keine Gedanken? Sulona schaute traurig auf das Bett. Natürlich machen sie sich Gedanken. Und das schon viel zu lange. Schon seit 40 Jahren sorgen sich die beiden. Aber nicht wegen mir, sondern wegen Fayt. Mein Bruder ist seit vierzig Jahren verschollen. Er wurde einfach entführt. Meine Eltern haben schon alles versucht, um ihn wiederzufinden. Doch nie gab es auch nur eine Spur zu ihm. Während ich wohlbehütet bei ihnen aufgewachsen bin, musste Fayt wer weiß, was alles durchleben. Vor 20 Jahren bin ich einfach aufgebrochen und habe begonnen nach ihm zu suchen. Es verschlug mich irgendwann hierher. Doch ich hätte nie gedacht, ihn hier wirklich zu finden. Und dann unter diesen Umständen. Kyle schaute Sulona wehleidig an. Aber warum hast du uns nie etwas gesagt? Ich meine, wir sind doch Freunde und hätten dir geholfen. Sulona atmete schwer aus. Ich habe es niemandem erzählt, weil ich nicht wollte, dass man mir auf die Spur kommt. Mein Vater ist nicht gerade unbekannt und hat so einige Feinde. Deswegen habe ich auch den Namen Vizarr geändert. Sailin saß auf der Bettkante und hatte eine Hand vor den Mund genommen. Was Sulona da erzählte, war schrecklich. Trin und Varresh taten ihr so Leid. Aber auch Fayt. Sie alle hatten sehr viel durchmachen müssen.

Wahn sah Soluna etwas wehleidig an. Du bist dir aber schon im Klaren darüber, dass du es deinen Eltern damit noch schwerer gemacht hast. Sie werden sich nun nicht nur um Fayt sorgen, sondern auch um dich. Ob es dir gut geht. Ob du überhaupt noch am Leben bist. 40 Jahre ist eine lange Zeit. Wobei ich schätze, dass man von hier schwer eine Nachricht übermitteln kann.

Natürlich bin ich mir darüber im Klaren. Ich hatte ja auch nicht ahnen können, das es so lange dauert., Sulona schaute Wahn völlig aufgelöst an. Seid der Inquisitor das Heft so in der Hand hat ist es sehr schwer bis unmöglich geworden von hier wieder wegzukommen. Ausserdem kann ich meine Freunde nicht im Stich lassen. Und nun ist Fayt wieder da. So schwer es auch ist, werden meine Eltern wohl noch etwas warten müssen. Oh, wir sind also doch deine Freunde?, fragte Raven. Das klang vorhin aber nicht so. Mensch, murrte der junge Mann, als Kyle ihm eine gab. Dann grinste der Rothaarige etwas. War nicht ernst gemeint. Kurz schaute er Sulona streng an. Mach das nie wieder. Wenn du Probleme hast, dann komm zu uns und versuche keine Alleingänge. Die Frau nickte nur und lächelte etwas.

Am nächsten Morgen saßen alle zusammen und überlegten, was zu tun war. Nach einer langen Diskussion wurde beschlossen etwas gegen den Inquisitor und die Hüterinnen zu machen. Zuerst wollten sie sich den Hüterinnen widmen. Dafür wurden mehrere Männer losgeschickt, welche in den übernommenen Städten Gerüchte streuen sollten. So erzählte einer in der Stadt Terran, das die schwarze Legion sich mit einer anderen Streitmacht verbünden wollen würde. Ein Treffen sollte bald stattfinden, um das Bündnis zu besiegeln. Die Hüterin Karla, welche in der Stadt die Führung übernommen hatte, rief sofort eine andere Hüterin herbei. Ihr gab sie, zusammen mit deren Wächter, den Auftrag sich dieser Sache anzunehmen. Das Bündnis dürfe nicht geschlossen werden.

Nocturn hatte seine Männer sich hinter ein paar Häusern am Rande der Stadt verstecken lassen. Dort hatten sie Stellung bezogen. Er sah kurz verwirrt auf, als Wahns Magen, der hinter ihm stand, einfach los knurrte. Sorry, meinte dieser. Ray grinste. Der Kerl ist heute Morgen nicht einmal richtig aus dem Bett gekommen. Lag wie erschlagen da drinnen. So wies, aussieht dasselbe wie bei Sailin. Das Herz scheint wieder zu schlagen. Und ich habe einen riesigen Kohldampf , brummte Wahn. Dafür ist jetzt keine Zeit, sprach Nocturn. Jeden Moment wird der Feind ankommen. Verhaltet euch ruhig. Sag das meinen Magen, gab Wahn von sich und ging in die Knie. Nocturn schüttelte den Kopf. Dann hob er rasch eine Hand an. Still, da kommen sie. Haltet euch bereit.

Sulona stand hinter der Ecke und spannte schonmal ihren Bogen, während Raven sein Schwert hervorholte. Sailin war bei Wahn und musste kurz grinsen, als sein Magen sich nochmal meldete. Sie war froh, dass er nun auch wieder lebte. Kyle schaute zu der ankommenden Hüterin. An ihrer Stirn hing das schwarze Diadem. Es wurde teils durch die blonden, langen Haare verdeckt. Links neben der Hüterin lief ihr Wächter. Er war deutlich, durch die dämonische Maske zu erkenne. Während die Frau ein sehr offenherziges Kleid trug, war der Oberkörper des Wächters frei von Sachen. Dafür trug er den traditionellen Rock und die schwarzen Armreifen. Mehrere Männer, welche für den Inquisitor arbeiteten, liefen hinter den beiden.

Wahn nahm einen Dolch zur Hand, welchen er bei der Legion an sich genommen hatte. Die Hüterin und ein paar Männer traten vor, während der Wächter plötzlich hinten stehen blieb. Er schien etwas bemerkt zu haben. Nocturn nickte Wahn zu. Dieser verließ seine Deckung, als der Wächter in eine andere Richtung blickte. Wenn ich das Zeichen gebe, schlagt ihr zu sprach Nocturn zu den anderen. Wahn näherte sich in geduckter Haltung. Ehe der Wächter regieren konnte, sprang er auf und rammte ihn den Dolch in eine Stelle im Hals, wo die Maske nicht saß. Da Wahn selbst eine Zeitlang solch eine Maske getragen hatte, wusste er genau, wo er hinzielen musste. Die anderen Männer und die Hüterin fuhren herum. Als der Wächter in sich zusammensackte. Angriff! , rief Nocturn auf.

Raven stürmte sofot hervor und hiebte mit seinem Schwert gegen eine der Wache, welche sich nun zwischen die Angreifer und die Hüterin schob. Sulona blieb hinten stehen und schoss ihre Pfeile ab. Der erste traf sogleich sein Ziel mitten im Kopf. Der Mann sackte sofort tot zusammen. Kyle erhob seine Arme über Kreuz. Seine Hände funkelten rot auf, während in seinen Händen zwei kleine Feuerbälle erschienen. Der Mann riss beide Arme auseinander und ließ die Kugeln auf die Wache zufliegen, welche genau vor der Hüterin stand. Diese wich aus und musste sogleich einen Schwerthieb Ravens blocken. Der rothaarige Mann hatte seinen ersten Feind gekonnt umgangen und ihn von hinten erstochen gehabt. Jetzt half er seinem Freund bei der nächsten Wache. Den Block des Schwertes schlug Raven einfach zur Seite. Die Wache begann zu taumeln und wurde gleich darauf von einer Flammenkugel erwischt. Sailin war ebenfalls vorgesprungen. Die Hüterin hatte wütend auf geflucht. Sie stand etwas seitlich da und starrte Sailin finster an. Glaubt ihr wirklich, es wird so einfach? Die Frau hob ihren Stab mit der rechten Hand hoch. Der Kristall leuchtete noch intensiver in der purpurnen Farbe. Plötzlich schossen mehrere dunkle Energiekugeln aus diesem. Sailin erhob beide Arme. Ihre Hände umspielte ein helles Licht. Kurz bevor die Energiekugeln ihr Ziel treffen konnten, schlugen diese auf das Schild, welches Sailin errichtet hatte. Kaum war dies geschehen, glühten Sailins Hände in einem leichten Blau. Die junge Frau nahm ihre Hände runter und streckte sie nach vorne aus. Die verdorbene Hüterin konnte geradeso ihr schwarzes Schild errichten und so die vielen Eiskristalle stoppen.