Wahn räusperte sich. Ich habe eine Vermutung meinte er. Sie war ziemlich schockiert, als es um die Sache mit Fayt ging. Was ihm angetan wurde. Ich hab so die Befürchtung, die beiden kennen sich irgendwo her. Oder sie ihn. Die Reaktionen lassen das vermuten. Vielleicht ist sie in diese Stadt zurück. Nocturn der mittlerweile auch aufgetaucht war, schüttelte den Kopf. Manchmal sind sie wie starrsinnige Kinder. Wir sollten hinterher reiten und zusehen, dass sie keine Dummheiten anstellt.

Sulona schlich durch die Gänge des größten Hauses im Zentrum der Stadt Alcantha. Hier, so wusste die Bogenschützin, hielten sich die Hüterin und ihr Wächter auf. Ein paar Männer der Inquisition befanden sich ebenfalls in dem Haus. Die junge Frau hatte fast die ganze Nacht gebraucht, um ungesehen vom Rand der Stadt bis zu dem Haus zu kommen. Immer wieder hatte sie mehreren Patrouillen ausweichen müssen. Letzten Endes hatte sie das Haus erreicht. Das Hineinkommen war eine Leichtigkeit gewesen. Anscheinend rechnete niemand damit, dass sich jemand freiwillig in das Gebäude schleichen würde.
Sulona blieb am Ende des Ganges stehen und schaute vorsichtig um die Ecke. Auch in dem nächsten Gang befand sich keine Wache. Vorsichtig lief die junge Frau weiter und öffnete langsam die Tür am Ende des Ganges. Die Decke auf dem Bett, welches am anderen Ende des Zimmers stand, bewegte sich langsam auf und ab. Sulona zog leise ihren Dolch aus der Scheide, welche an ihrem Gürtel, am Rücken befestigt war. Sie hatte wirklich Glück, dass die Hüterin anscheinend so lange schlief. Ihr Wächter war nirgends zu sehen. Die junge Frau stellte sich vor das Bett und hob den Dolch an. Es würde schnell gehen und dann müsste sie gleich verschwinden, bevor der Wächter kam. Bevor sie den Dolch auf ihr Opfer zufliegen lassen konnte, keuchte Sulona auf, als ein stechender Schmerz durch ihre rechte Schulter zog. Sofort fiel der Dolch aus ihrer Hand und ließ ein metallisches Geräusch hören, als er auf dem Boden landete. Sulona schaute auf ihre Schulter. Ein Schwert ragte aus dieser heraus. Glaubtest du wirklich, wir würden dich nicht mitbekommen?, fragte die Hüterin und schlug die Decke zur Seite. Finster grinste sie die Bogenschützin an. Verdammt, murrte Sulona nur. Die junge Frau verzog das Gesicht, als der Angreifer sein Schwert wieder aus ihrer Schulter zog. Die Hüterin stand auf und stellte sich vor Sulona. Soso. Einer von dieser nervigen Legion. Das dürfte dem Inquisitor gefallen. Die Frau schaute an Sulona vorbei. Lass die Wachen sie zu ihm bringen. Die Hüterinnen bei ihm werden diese hier schon zum Reden bringen. Die Bogenschützin spürte, wie sie ein kräftiger Schlag im Genick traf und sackte zusammen.

Ray schlug mit der Faust auf den Boden. Verdammt knurrte er. Wir sind zu spät. Er sah zu den Wachen, die gerade Soluna wegbrachten. Sie haben sie erwischt. Nocturn legte ihm kurz eine Hand auf. Dann bringt das rummeckern nun auch nichts. Wir müssen sie vor der Stadt abfangen. Kurz wandte er sich an Wahn. Dich kennen sie noch nicht, zumindest die Wachen. Würdest du das übernehmen? Der junge Mann nickte. Ich kümmere mich darum. Dann los, sprach Nocturn. Raus aus der Stadt, wir passen sie draußen ab. Jetzt wo sie Soluna bis hier her verfolgt hatten, würde Nocturn nicht einfach aufgeben. Sie eilten aus der Stadt und versteckten sich zwischen den Bäumen.

Sailin hockte zwischen den Bäumen und schaute auf die Stadt. Sie hoffte, dass es Sulona gut ging. Als sie die junge Frau über der Schulter der einen Wache hat hängen sehen, war ihr die verletzte Schulter aufgefallen. Etwas entfernt von der Hüterin stand Raven hinter einem Baum. Er hatte sein Schwert bereits gezogen. Was hat sie sich dabei nur gedacht?, murrte er kurz. Still jetzt, sagte Kyle und deutete auf die Stadt. Mehrere Reiter waren zu erkennen. Sulona war über den Rücken eines Pferdes geworfen worden. Hinter ihr saß der Wächter und passte auf die bewusstlose Frau auf. Die Hüterin ritt direkt daneben.

Als der kleine Trupp mit der Gefangenen an in ihre Nähe kam, sprang Wahn hinter den Bäumen hervor. In der Rechten glühte es rötlich auf. Dann grinste er und setzt den Boden vor den Füßen der Pferde in Brand. Diese scheuten und warfen ihre Reiter ab. Der Wächter fluchte und die Hüterin griff zu ihrem Stab.

Sailin sah, wie Sulona auch vom Pferd fiel, als sich die Tiere aufbäumten. Die junge Frau schüttelte nur mit dem Kopf. Raven starrte auf die Hüterin. Ihr schwarzes Kleid wurde nun von mehreren Staubflecken geziert. Der Stab, welchen sie in der Hand hielt, war ebenfalls schwarz. Der Kristall am Ende leuchtete purpur. Kurz sah der Rothaarige zu ihrem Mentor. Er wunderte sich, warum dieser keinen Befehl zum Angriff gab und zudem noch völlig locker da stand. Kyle richtete sich etwas auf und schaute Nocturn verwundert an. Sollten wir nicht auch eingreifen? Ich meine, das ist eine Hüterin und ihr Wächter ist auch dabei.

Wahn wich dem ersten Angriff der Hüterin aus. Dann winkte er provokativ den Wächter heran. Dieser nahm seinen Speer und rannte auf den Schwarzhaarigen zu. Nun formte Wahn mit beiden Händen eine Flammenkugel und schleuderte sie dem Wächter entgegen. Dieser verlor den Halt und stürzte auf den Boden. Doch gleich darauf stand er wieder mit erhobener Waffe. Als er zuschlagen wollte, streckte Wahn seine linke Hand aus und hielt sie einfach mit der Handfläche auf ihn gerichtet. Der Wächter begann seinen Angriff und prallte einfach an einem Schild ab. Dieses zersplitterte daraufhin und die Splitter schwebten weiter in der Luft. Wahn machte eine weitere Bewegung und die Splitter rasten direkt auf die Hüterin zu. Dem Wächter, der sich erholt hatte, wich er aus und rammte ihm den Ellenbogen in den Bauch. Der Mann kippte haltlos nach vorne und Wahn versetzte ihm noch einen Schlag ins Genick, sodass er endgültig liegen blieb. Auch die Hüterin ging bei einer letzten Attacke mit einer dunklen Kugel aus Magie zu Boden. Wahn sah zu den Wachen, diese sahen fassungslos zu dem regungslosen Wächter und der Hüterin. Der junge Mann reckte sich vor ihnen. Wollt ihr auch noch? fragte er hämisch. Plötzlich ließen die Männer ihre Waffen fallen und rannten einfach weg. Feiglinge, murrte Wahn.

Kaum rannten die Wachen weg, lief Sailin auch schon aus der Deckung heraus. Die junge Frau kniete sich neben Sulona und drehte sie vorsichtig um. Dabei sah die Hüterin die Wunde an der Schulter. Diese ging glatt durch, sodass Sulona sowohl vorne als auch hinten aus der Verletzung blutete. Außerdem hatte sie eine kleine Platzwunde kurz über dem Genick. Wir sollten sie sofort hier wegbringen. In der Feste kann ich mich besser um sie kümmern. Außerdem laufen wir dort nicht gleich Gefahr doch noch von den Wachen angegriffen zu werden, sagte Sailin zu Nocturn. Der Krieger war zu den beiden Frauen gekommen. Kyle und Raven kamen zusammen mit Ray zwischen den Bäumen vor. Der rothaarige Mann steckte sein Schwert weg. Warum sind wir überhaupt mitgekommen? Das hättet ihr auch gut alleine hinbekommen. Wie man ja sieht. Kyle wollte schon seine Hand heben, ließ es dann aber bleiben. Stattdessen schaute er zu Wahn. Ich muss sagen, ich bin schon wieder erstaunt. Woher kannst du so gut kämpfen? Ich meine du hast gerade sowohl eine Hüterin, als auch ihren Wächter, einfach so außer Gefecht gesetzt und das sogar noch mit Magie.

Ray starrte einfach auf Wahn. Der ist doch mal alles andere als normal. Wer kann denn so mächtige Magie entfesseln? Wahn musste grinsen. Die waren alles andere als mächtig, auch wenn ich ein wenig tiefer greifen musste. Der Wächter schien mir ziemlich unerfahren. Er hat seine Deckung viel zu oft preisgegeben und die Hüterin hat viel zu lange gebraucht ihre Magie zu zünden. Ich hatte wohl wieder mal Glück. Schätze Nocturn hat das auch gespürt. Der ehemalige Schatten schüttelte den Kopf. Dazu sage ich lieber nichts, meinte er. Wahn seufzte. Ok ich klinge gerade wie ein uralter Lehrmeister. Wir sollten gehen. Soluna muss versorgt werden.

Kyle nickte und bückte sich zu Sulona runter. Dann hob er sie auf und gemeinsam liefen alle zurück zu den Pferden. Es dauerte eine Weile, doch dann hatte die Gruppe die sichere Feste wieder erreicht. Sulona wurde auf ein Zimmer gebracht. Vorsichtig legte Kyle die junge Frau auf das Bett. Während sich Sailin gleich zu der jungen Frau aufs Bett setzte, lehnte sich Raven an die Wand und verschränkte die Arme. Was ist nur in sie gefahren, dass sie das gemacht hat? So ist sie doch sonst nicht und wir haben schon einiges gesehen. Viele sind schon gestorben oder haben Leid durch den Inquisitor und seine Leute erfahren. Doch das hat sie doch noch nie so mitgenommen. Kyle seufze und zuckte mit den Schultern. Vielleicht sagt Sulona es uns ja, wenn sie wieder wach ist. Die beiden Männer sahen erstaunt zu, wie Sailin ihre Hände über die Wunde der jungen Frau hielt. Ein helles Licht begann plötzlich, diese zu umspielen. Raven legte den Kopf schief. Was sollte den das nun wieder sein?

Ray kratzte sich am Hinterkopf. Was soll denn das jetzt werden. Noch mehr Magie?

Laree hatte sich mit dem Jungen, der den Name Nero trug, in ihr Zimmer zurückgezogen. Mach es dir doch bequem, sagte sie und ließ sich auf ein paar Kissen niedersinken. Wie gefällt dir meine kleine Domäne? Nero sah sich kurz um, dann zuckte er mit den Schultern. Laree seufzte. Dir fehlen also die Worte nun gut. Dann kommen wir gleich zur Sache. Sie sah ihn direkt an. Komm doch etwas näher. Der Junge trat ein paar Schritte näher an die Hüterin heran. Sage mir doch, was weißt du über deinen Vater Kleiner? Nero zog die Luft ein und ballte eine Hand zur Faust. Nur, dass er ein Dämon und für den Tod meiner Mutter verantwortlich ist. Die Hüterin sah ihn beinahe schon wehleidig an. Ja, das ist eine schlimme Sache. Willst du ihn dennoch sehen? Jetzt wirkte der Junge irritiert. Sie kennen meinen Vater? Sie nickte. Allerdings. Und wenn du es begehrst, zeige ich ihn dir. Nero senkte den Kopf. Nur um ihn zu sagen wie sehr ich ihn hasse, brachte er hervor. Laree lächelte, dann wurde sie sofort wieder ernst. Aber bedenke. Dein Vater ist eine ernsthafte Bedrohung. Er ist mächtig und ein Dämon durch und durch. Dem Inquisitor macht er auch nur Ärger. Ich werde ihn dir zeigen, wenn die Zeit gekommen ist. Dafür habe ich dich holen lassen. Im Gegenzug erwarte ich jedoch, dass du tust, was ich sage. Der Junge nickte. Das werde ich. Kurz griff er sich an seine Maske. Ja, das werde ich.

Sailin musste unweigerlich etwas lächeln. Ich sehe schon. Ihr kennt ja nur die verdorbenen Hüterinnen und Wächter. Ich benutze grade Magie, das ist richtig Ray. Das ist heilige Magie und mit ihr versorge ich die Wunden Sulonas. Anders ausgedrückt, ich heile sie. Raven schaute ungläubig zu der jungen Frau. Wie darf ich das denn verstehen? Wieder lächelte Sailin. Du wirst es sehen. Kyle, welcher mit am Bett stand, schaute Sailin fragend an. Was haben denn die Hüterinnen getan als sie noch nicht verdorben waren? Die grünhaarige Frau schaute ihn kurz verwundert an, dann aber wendete sie ihren Blick wieder Sulona zu. Einst waren die Hüterinnen die Hoffnung des Volkes. Sie haben als Sprachrohr zwischen dem Volk und dem Rat des Lichts fungiert. Wenn die Menschen Kummer hatten oder etwas vom Rat wollten, dann haben sie es der Hüterin gesagt. Diese hat das Anliegen dem Rat vorgebracht. Außerdem haben die Hüterinnen den Menschen in Notlagen beigestanden. Da wo es nötig war, kümmerten sie sich um die Verwundungen des Volkes. Sailin sah Ray an. Deswegen musste auch jede Hüterin über das Talent der Magie verfügen können. Und was war mit den Wächtern?, fragte Raven aus seiner Ecke. Sie standen der Hüterin zur Seite und haben sie beschützt, wenn ihnen Gefahr drohte. Außerdem haben sie die Hüterin bei ihrer Aufgabe unterstützt und sie dadurch einfacher gemacht. Wenn es so schwer ist eine Hüterin zu sein, warum..? Warum ich es gemacht habe beziehungsweise mache?, unterbrach Sailin Kyle. Weil es mir Freude bereitet, wenn ich anderen helfen kann. Die glücklichen Gesichter der Menschen machen so einiges wieder wett. Du weißt gar nicht wie weh es tut zu wissen, dass die Hüterinnen, welche für das Volk da sein sollten, es nun tyrannisieren und töten. Sailin nahm ihre Hände wieder runter. Die Wunde an Sulonas Schulter war geheilt. Die junge Frau schaute wehleidig auf ihre Hände. Das Heilen hatte ihr Laree beigebracht, als sie noch lebte und eine sehr gute Freundin war.

Rays Blick wanderte zwischen Sailin, Wahn und Soluna hin und her. Dann blieb er an den schwarzhaarigen haften.
Und warum tragen die Wächter dann diese Maske? Das ist doch nicht normal und mit Sicherheit auch nicht angenehm. Ich habe noch keinen Wächter ohne gesehen. Wahn nickte. Da hast du nicht ganz Unrecht. Es war eine schwere Bürde, die Maske eines Wächters anzunehmen. Von jenem Tag an legten sie ihr altes Leben ab. Magie durchdrungen und das Gesicht vor allem verborgen, traten sie ihre Rolle als Wächter an. Diese Masken sehen dämonisch aus, da der Wächter einfach furchteinflößend wirken sollte. Des Weiteren sollte ihre Erscheinung ein wenig an den Lichtdämon heranreichen. Ihm zu Ehren. Der Mund war versperrt, damit sie sich mehr und mehr an die Hüterin banden, da sie ohne sie sterben würden. Lies ein Wächter zu, dass die Hüterin starb, so wurde er dazu verdammt, ruhelos an ihrem Grab zu wachen. Dies war die alte Ordnung des Bundes. In diese Welt eingeführt durch einen falschen Lichtgott. Ray sah beinahe betroffen zu Boden. Das wusste ich nicht. Ich dachte manchmal, den Wächtern macht es einfach Spaß, dem Volk mit diesen Masken Angst einzujagen. Plötzlich bewegte sich Soluna.

Sulona wachte langsam auf. Doch anstatt auf einem harten Boden und in Ketten, lag die junge Frau auf etwas Weichem. Vertraute Stimmen drangen in ihr Ohr. Sofort richtet sie sich auf. Aua, kniff sie ihre Augen zusammen und fasste sich mit beiden Händen an das Genick. Geht es denn?, fragte Sailin besorgt. Sulona nahm ihre Hände wieder runter und schaute verwirrt in die Runde. Ihr? Aber wie?
Frag ihn, meinte Raven und zeigte auf Wahn. Wir haben nur blöd an der Ecke gestanden.

Nocturn schüttelte den Kopf. Wahn hat sich um die Wachen gekümmert, das ist alles, aber warum bist du einfach zurückgekommen. Alleine kannst du gegen sie nichts ausrichten. Was hat dich den nun dazu veranlasst?