Natürlich ist was nicht richtig gelaufen, murrte die alte Dame. Ich hänge hier schließlich seid Jahren in dieser verdammten Welt fest. Sailin starrte noch eine Weile auf ihr Spiegelbild, dann seufzte sie und lief zurück in ihr Bett. Schlafen konnte sie nicht mehr. Zuviel ging ihr durch den Kopf. Wer war dieser Fremde und was meinte er damit das alles nicht so ist wie es sein sollte? Sailin verstand es nicht wirklich. Irgendwann wanderten ihre Gedanken an ihre Heimat. Dort hatte sich alles richtig angefühlt. Dort war sie einfach zuhause gewesen.

Am nächsten Morgen kam Jack wieder zu Besuch. Wie er es angekündigt hatte. Gemeinsam frühstückten sie und unterhielten sich etwas. Jack merkte jedoch das Sailin etwas durch den Wind war. Schließlich schob er sein Besteck etwas von sich und sah sie besorgt an. Ist bei dir alles in Ordnung. Du siehst etwas besorgt aus. Scheinst mir leicht neben der Kappe zu sein. Außerdem redest du heute kaum. Ist etwas passiert?

Sailin legte ebenfalls ihr Besteck weg und schob den Teller von sich. Ich weiß nicht so recht. In der Nacht habe ich schon wieder geträumt. Die alte Dame schüttelte den Kopf. Oder auch nicht? Ich glaube ich werde langsam wirklich senil. Gestern bin ich im Bad gewesen, doch anstelle meines Bildes zeigte der Spiegel nur Nebel. Der im Flur auch. Als ich länger hineinschaute erschien ein Mann. Er sah aus wie ein Mensch, aber irgendwie auch nicht. Dieser Mann redete mit mir und sagte er brauche meine Hilfe. Es war der gleiche, der immer in meinen Träumen redete. Sailin seufzte. Ich weiß nicht war das nun auch nur ein Traum oder nicht.

Ein Mann ihm Spiegel? fragte Jack erstaunt. Langsam mache ich mir echt Sorgen um dich. Das muss wohl ein Traum gewesen sein. So etwas gibt es nicht. Niemand kann von einen Spiegel aus mit dir reden. Ich glaube fast du bildest es dir wirklich nur ein. Vielleicht brauchst du einfach etwas mehr Ruhe. Hast du noch die Tabletten die der Arzt dir verschrieben hat. Vielleicht solltest du mal Nachts eine davon nehmen.

Sailin sah Jack an. Ich habe sie noch. Die alte Dame schüttelte den Kopf. Dieser Mann. Er kannte meinen Namen und er wusste woher ich komme. Er wusste ganz genau das meine Heimat Ismaelia heißt. Dort war sowas möglich. Zuhause war alles möglich oder vieles. Unmögliches gab es dort. Sailin stand auf und ging zum Kühlschrank. Dort holte sie eine Saftflasche heraus und goss die Flüssigkeit in die beiden Gläser auf dem Tisch. Ich habe die letzte Nacht viel an meine Heimat gedacht. Vergessen konnte ich sie nie. Die alte Frau setzte sich wieder und nahm einen Schluck. Vielleicht sind die Träume ja auch ein Zeichen für mich. Das es bald Zeit für mich ist.

Jack beugte sich etwas über den kleinen Tisch und berührte Sailin am Arm. Versuch nicht daran zu denken ok. Natürlich weiß er alles über dich Wenn du ihn erträumst dann doch eh. Wer kennt dich schließlich besser als du selbst. Keine Sorge das ist nicht der Tod der dich holen will. Es ist ein Traum entstanden durch Zweifel. Mehr nicht.

Sailin seufzte. Vielleicht hast du ja Recht. Ich sollte wohl aufhören darüber nachzudenken. Die alte Dame sah auf und Jack an. Lassen wir das Thema einfach und kommen zu etwas anderem. Wenn du nachher fährst könntest du mich vielleicht beim Friedhof absetzten? Ich würde gerne Helenas Grab besuchen. Auf dem Rückweg werde ich dann wohl noch an der Apotheke halten.

Sicher kann ich das machen meinte Jack und lächelte Sailin an. Sie redeten noch eine Weile bevor sie schließlich losfuhren.

Sailin lief über den kleinen sandigen Weg. Links und Rechts von ihr standen mehrere Grabsteine. Die ältere Frau war von Jack abgesetzt worden und war gleich an ihrem Zielort. Nach weiteren wenigen Schritten stand sie vor einem Grabstein. Der Name einer Frau stand auf diesem. Helena Armand. Sailins und Jacks Freundin war vor drei Jahren gestorben. Die Weißhaarige kniete sich hin und platzierte den Blumenstrauss vor dem Grabstein. Eine Weile hockte die Frau so da, dann richtete sie sich auf und nickte noch einmal. Neben Jack war Helena die Einzige welche wusste woher Sailin kam. Die matten Augen der Frau waren auf den Grabstein gerichtet. Kurz seufzte sie, dann lief Sailin den Weg wieder zurück.
Kaum vom Friedhof runter lief die ältere Dame die Strasse herunter. Nach einer kleinen Weile erreichte sie die Apotheke und ging hinein. Nachdem sie die gewünschten Tabletten und Öle bekommen hatte, machte sie die Dame auf den Heimweg. Während sie auf die Bahn wartete betrachtete sie die Schaufenster. In diesem sah sie ihr Spiegelbild. Ganz anders als die letzte Nacht.
Mit der Bahn fuhr die alte Dame zurück zu ihrer Wohnung. In dieser angekommen stellte sie die Tasche einfach nur ab und trank einen Schluck. Es war noch nicht sehr spät am Nachmittag, doch die alte Dame legte sich hin. Die letzte Nacht hatte ihr den benötigten Schlaf geraubt. Nun war sie einfach nur müde und erschöpft. Die Tasche ließ sie einfach auf dem Tisch stehen

Spät in der Nacht wurde es plötzlich etwas neblig im Zimmer. Ein Windstoß erfasste das Fenster und stieß es leicht hin und her. Hinter dem Spiegel wurde der Nebel nun dichter bis er wieder Konturen annahm. Die Hand des Mannes legte sich auf die Innenseite. Es war als versuche er aus dem Spiegel herauszukommen. Als drücke er etwas dagegen. Doch es änderte sich nichts. Er wirkte enttäuscht. Die Hand glitt ab und ein kratzendes Geräusch ertönte. Dann zog er sie weg. Sailin Liam hör mich an, sprach nun die Stimme des Mannes. Du musst zurück nach Goa. Dort wo du hingehörst. Das hier ist nicht deine Zeit nicht dein Leben wie es sein sollte. Kehre zurück nach Goa. Nach Antarres. Dem Zentrum aller Länder. Kehre zurück bevor es zu spät ist. Dann verstummte er und der Nebel verschwand. Mit ihm auch die Gestalt.

Die alte Dame öffnete ihre Augen und starrte die Decke an. Als sie ihren Kopf zur Seite drehte fiel ihr Blick an den Spiegel. Sailin stand auf und lief zu diesem. Ihre Blick fiel auf einige Kratzspuren. Wie kamen sie dahin? Als Sailin mit ihrer Hand über diese fuhr spürte sie keinen Widerstand. Es wirkte als seien die Spuren innen. Selbst wenn ich wollte könnte ich nicht heim?, murmelte sie und wand sich ab. Dies war nie meine Heimat, doch nun lebe ich hier. Eine andere Wahl hatte ich nicht als mich damit abzufinden. Sailin schüttelte den Kopf. Langsam bekam sie das Gefühl das ihr Wunsch nach Hause zurückzukehren diese Träume wohl auslösen könnte. Doch Sailin wusste. Nichts würde mehr auf sie warten bis auf der Tod. Wusste sie auch nicht wirklich was dieser Fremde meinte. Warum sollte nichts so sein? Was sollte zu spät sein?

Jack starrte fassungslos auf den Spiegel. Sailin hatte ihn erzählt das sie wieder einen dieser merkwürdigen Träume hatte und daraufhin diese Spuren aufgetaucht waren. Etwas irritiert legte er seine Hand darauf. Sie könnten wirklich von einer Hand entstanden sein murmelte er. Wie Krallen. Aber das ist nicht Möglich. Wie sollte jemand im Spiegel stecken. Außerdem gibt es keinerlei Spuren außen. Er kratzte sich nervös am Hinterkopf. Die ganze Situation fing an ihn zu missfallen. Und all das musste über Nacht geschehen sein.

Sailin schüttelte den Kopf. Der Spiegel ist schon alt. Kann doch auch sein das er langsam kaputt geht und das nur Zufall ist. Es ist nur merkwürdig. Die alte Dame stand auf und lief zum Fenster. Während sie aus diesem herausschaute hustete sie kurz. Selbst wenn das wirklich wahr wäre was da geschieht ich könnte eh nichts machen. Ich bin alt und habe über diese vielen Jahre keinen Weg nach hause gefunden. Es ist einfach quatsch mich aufzufordern nach Goa zurückzukehren. Und dann nach Antarres? Ich kenne dieses Land nicht einmal. Ich hatte Ismaelia noch nie verlassen. Warum ausgerechnet dahin? Ich bin zu alt um mir so sehr den Kopf zu zerbrechen. Es kommt eh nichts bei heraus.

Ich will nicht sagen das ich all das glaube aber vielleicht kannst du dir deine Fragen selbst beantworten. Wenn du wieder von ihm träumst dann bringe ihn zum Reden. Er soll dir sagen was du wissen musst. Er soll ich zeigen. Jack seufzte. Ich glaube zwar immer noch das es nur ein Traum ist, aber wer weiß. Vielleicht kannst du dich von deinen eigenen Traum retten. Dir selbst Klarheit verschaffen. Dennoch diese Kratzspuren sind mehr als merkwürdig. Sie sehen aus als hätte ein Tier mit Krallen dagegen geschlagen. Absolut nicht normal.

Jack versuchte an diesem Tag Sailin etwas abzulenken und fuhr mit ihr weg. Doch das was der junge Mann gesagt hatte ging ihr nicht aus dem Kopf. Es war spät in der Nacht als die Dame aufwachte und ihren Blick zu dem Spiegel wand. Die Kratzpuren waren sichtbar. Sailin stand auf und stellte sich vor den Spiegel. Kurz überlegte sie ob das was Jack nicht sagte irgendwie Unsinn wäre, doch dann schüttelte sie den Kopf. Wenn du da bist zeige dich. Ich muss mit dir reden, sagte Sailin und kam sich dabei etwas blöd vor. Sie redete mit ihrem Spiegel. Na los komm schon zeige dich.