Nocturn sah beinahe schon betroffen zu Wahn, als Soluna ihm das halbe Gesicht nähen musste. Was immer ihm widerfahren war, es musste grausam gewesen sein. Und dann war da noch Sailin, die unter irgendeinen Zauber stand. Dann wandte er sich an den Mann, der mit ihnen gekommen war. Und wer bist du? Ich kenne dich nicht.

Bowen schaute zu dem Mann mit dem purpurnen Haar. Mein Name ist Bowen Neros. Ich war Soldat unter Menethil. Der Mann hob sofort beide Arme, als Raven an sein Schwertgriff fasste. Nicht so hastig, bitte. Ich war Soldat unter Menethil und nicht dem Inquisitor. Damals war der Lord noch freundlich und gütig. Als das alles mit den Hüterinnen und diesen Wächtern aufkam und sich Menethil immer mehr veränderte, habe ich rebelliert und wurde eingesperrt. Du bist also nicht auf der Seite des Inquisitors?, fragte Raven lieber noch einmal nach. Wenn ja, hätte ich sicher nicht den beiden da geholfen, sondern wäre gleich abgehauen als ich mich befreit hatte. Wieso hast du ihnen geholfen?, hackte nun Kyle nach. Weil ich mitbekommen habe, was dieser Mann Sailin antat. Und dann brachten sie auch noch den jungen Mann hier in die Nachbarzelle. Mir hat die ganze Situation nicht gepasst und so habe ich halt die Chance genutzt, als sie Wahn abführten. Was da allerdings in dem Thronsaal geschehen ist, weiß ich nicht.

Nocturn sah den Mann nachdenklich an, dann fragte er nach. Was meinst du damit, was sie der jungen Frau antaten. Hat es etwas mit der Magie zu tun, die auf sie wirkt?

Bowen sah den Mann erstaunt an. Sag nicht du kannst das fühlen oder so? Ja sie hat eine Magie auf sich. Der Krieger verschränkte die Arme und legte seinen Kopf etwas schief. Dieser Margaroth, wie Wahn ihn nannte, hat sie ziemlich lange mit irgendeiner Magie gequält und auf sie eingeredet. Hat nur merkwürdiges und schlechtes über den jungen Mann da erzählt. Sailin hat ziemlich oft schmerzerfüllt aufgeschrien. Kurz nachdem es still um sie wurde, kam dieser Margaroth mal mit Menethil in die Zellen. Ich hörte, wie er sagte, er hätte zur Vorsicht noch einen Schutzzauber auf Sailin gelegt. Der Mann sah zu Sailin. Als sie mal alleine mit Wahn in der Zelle war schien sie für einen kurzen Moment sie selbst zu sein, aber dann hat sie nur aufgeschrien. Da es so einen dumpfen Schlag gab, vermute ich mal das es sie irgendwie umgehauen hat.

Einen Schutzzauber also. Ich kenne kaum jemanden, der einen Schutzzauber von Margaroth beseitigen könnte. So ein Mist. Das wird noch kompliziert. Nocturn seufzte.

Sulona, welche noch immer dabei war Wahns Wunden zu nähen, seufzte. Das ist nicht gut. Aber es scheint nicht unmöglich zu sein, oder? Sagtest du nicht, sie habe einen lichten Moment gehabt? Bowen nickte. Anscheinend ja sogar zwei. Als wir dich trafen, sagtest du, sie habe Wahn beschützt. Wieder nickte Bowen. Der Mann schaute zu Sailin. Nur bin ich mir nicht sicher wie sie drauf ist, wenn sie aufwacht, meinte er kurz. Plötzlich machte Sailin die Augen auf. Kaum hatte sie dies getan, richtete sie sich auf und schaute panisch umher. Sailin! Wir sinds, sagte Raven kurz. Die junge Frau sprang auf und stand auf dem Bett. In beiden Händen glühte ein bläuliches Licht auf. Sulona stoppte in ihrer Bewegung mit der Nadel in der Hand und starrte erschrocken auf Sailin.

Komm runter, meinte Ray. Du wirst doch nicht deine Freunde angreifen. Nocturn packte ihm am Kragen und zog ihn zurück. Ganz ruhig. Wir werden dir nichts antun. Wir sind nicht deine Feinde. Versuch dich zu erinnern Sailin.

Sailin stand da und starrte Nocturn an. Sie dachte nicht einmal daran, ihre Arme zu senken. Lasst mich gehen, meinte sie schließlich. Ich will hier weg und zu ihm. Er wird böse sein, wenn ich nicht da bin. Eine Tochter muss gehorchen. Wenn ihr mich nicht gehen lasst, werdet ihr es bereuen. Genauso wie es dieser Kerl noch bereuen wird. Er hat mich nur benutzt und angelogen.
Sulona starrte die junge Hüterin geschockt an. Was sagte sie da? Kyle machte einen Schritt auf Sailin zu, bereute es aber gleich wieder, da Sailin ihm eine Magiekugel entgegenschleuderte. Diese streifte ihn an der Schulter und schlug in die Wand ein. Du bist hier bei deinen Freunden Sailin. Niemand wird dir was antun. Keiner hat dich benutzt ausser Margaroth und Menethil. Sailin komm zur Vernunft. Der Mann konnte es nicht fassen. Die junge Frau schien ja völlig aus der Spur zu sein.

Dann lass deine Wut wenigstens an mir aus und an niemand anderen, sagte plötzlich Wahn, blieb aber immer noch liegen und hatte die Augen geschlossen. Ich bin hier, komm schon, ich kann mich ja nicht einmal wirklich wehren. So kann man seine Rache doch am besten ausüben. Oder?

Sailin schaute sofort zu dem jungen Mann. Es sah wirklich so aus, als wollte sie ihn angreifen, da ihr Arm plötzlich in seine Richtung zeigte. Sulona sprang auf und stellte sich genau dazwischen. Sailin, das willst du doch nicht wirklich? Du liebst ihn. Würdest du es wirklich fertig bringen ihm etwas anzutun? Du kennst ihn doch jetzt schon ewig, wie kannst du da den Worten dieses Fremden glauben? Wahn würde wirklich alles für dich tun, das kann ich dir sagen. Auch wenn ich ihn nicht so lange kenne wie du. Bitte Sailin hör auf. Schau dir doch an, wie dreckig es ihm geht. Das kann dir doch nicht egal sein. Die Hüterin schaute zu Sulona und dann wieder zu Wahn. Raven hatte die Luft eingezogen und starrte auf die junge Frau. Wahn, es tut mir leid, murmelte diese plötzlich und schaute weiter auf den Schwarzhaarigen. Kyle zuckte erschrocken zusammen, als Sailin plötzlich aufkeuchte und sich verkrampfte. Sie fiel zurück auf das Bett und unterdrückte einen Schrei. Als sie wenige Sekunden regungslos dalag, machte Kyle einige Schritte auf sie zu.

Wahn öffnete das eine Auge und drehte seinen Kopf in Sailins Richtung. Dann richtete er sich langsam auf. Der junge Mann ging zur Wand und stützte sich an ihr ab. Dann arbeitete er sich zu Sailin vor. Was tust du, Junge?, fragte Nocturn verwirrt. Du solltest liegen bleiben. Wahn schüttelte sachte den Kopf und ging vor dem Bett auf den Sailin lag in die Knie. Dann legte er seine Hände auf ihre Wangen und konzentrierte sich. Plötzlich verkrampfte er sich und purpurne Blitze zuckten um ihn herum. Der Schutzzauber schien tatsächlich zu brechen, sendete aber noch einmal seine letzte Kraft aus. Nach einer Weile blieb Wahn einfach mit dem Kopf auf Sailins Bauch liegen und hatte die Augen geschlossen.

Wahn, murmelte Sailin als sie den Kopf des jungen Mannes auf ihrem Bauch spürte. Sie hatte die Augen geschlossen, doch Tränen liefen ihr an den Wangen herunter. Kyle kniete sich sofort zu Wahn runter. Der junge Mann war ohne Bewusstsein. Der Magier hob ihn vorsichtig hoch und legte Wahn zurück in das Bett. Sulona atmete etwas aus und setzte sich wieder zu ihm. Was hat er gemacht und vor allem wie?, fragte Raven verwirrt Nocturn. Bowen stand da und kratzte sich am Hinterkopf. Was war da gerade passiert?

Ich schätze, er hat etwas gegen diesen Schutzzauber unternommen. Nocturn sah zu Sailin. Ich kann ihn kaum mehr spüren. Er würde Sailin niemals Margaroth überlassen. Aber das hat ihn wohl die letzten Reserven gekostet. Er wird wohl nun eine Weile brauchen, bis er wieder zu Kräften kommt. Wieder sah Nocturn zu Soluna. Versorgst du die letzten Wunden und verbindest sie? Sailin braucht jetzt auch etwas Ruhe. Jemand sollte hier bleiben und auf sie achten. Hoffen wir das Wahn es geschafft hat.

Sulona schaute ebenfalls zu Sailin. Dann nickte sie Nocturn zu und machte sich wieder daran, die restlichen Wunden von Wahn zu versorgen. Während Kyle mit Bowen das Zimmer verließ, um sich dessen Wunden genauer anzusehen, gingen auch Ray und Nocturn. Die beiden wollten Wahn und Sailin ein bisschen Ruhe gönnen. Raven stand da und schaute zu Sailin. Wer sagt das, wenn dieser Schutzzauber weg ist, Sailin auch normal ist?, fragte der Mann schließlich die Halbelfe. Sulona seufzte und fing an Wahn das Gesicht zu verbinden. Wir werden es spätestens dann sehen, wenn sie wieder wach wird. Ich frage mich, was man ihr erzählt hat. Hast du das gehört, was sie vorhin sagte? Eine Tochter müsse hören. Raven nickte. Die scheinen ihr ja mächtig eine Gehirnwäsche verpasst zu haben. Die beiden schwiegen eine Weile. Als Sulona mit dem Verband fertig war, richtete sich die Frau auf und starrte auf die Beschädigung in der Wand, welche Sailin verursacht hatte. Die Halbelfe verließ kurz den Raum und kam nach einigen Minuten wieder. Raven sah ziemlich unzufrieden aus. Lass mich nicht nochmal mit den beiden alleine, murrte er. Sulona lächelte kurz und lief dann zu Sailin. Was hast du vor?, fragte der Rothaarige. Ich gehe nur auf Nummer sicher. Solange wir nicht wissen wie Sailin drauf ist, sollte sie die hier tragen. Sulona legte der jungen Hüterin eine Kette an ihre Hände, welche die Magie der jungen Frau unterdrücken sollte. Dann richtete sie sich auf und klopfte Raven auf die Schulter. Mit einer jungen Frau, welche nur kratzen und beißen kann, wirste ja wohl noch fertig. Der Rothaarige funkelte die Halbelfe kurz an. Dann half er aber der Elfe dabei, den Kragen zu entfernen, welchen Wahn noch trug. Kaum war dieser ab, konnte Sulona auch noch die restlichen Wunden des jungen Mannes versorgen. Als sie fertig war, schaute Sulona Wahn besorgt an. Was war da nur geschehen?

Kyle ging am nächsten Tag in das Zimmer, wo sich Wahn und Sailin aufhielten. Der Mann war etwas irritiert, als er sah, dass sich Sailin auf dem Bett, was an der Wand stand, in die hinterste Ecke verzogen hatte. Die junge Frau hockte auf den Kissen und hatte ihre Beine zu sich gezogen. Kurz hatte sie zu dem Reinkommenden geschaut, doch dann starrte sie einfach in Wahns Richtung. Raven und Sulona schaute zu Kyle auf und zuckten mit den Schultern. Sie ist schon ne ganze Weile wach. Hat nichts gesagt bisher und sich gleich in die Ecke verzogen, sagte Sulona. Der Mann nickte und machte einige Schritte auf Sailin zu. Diese versuchte noch weiter nach hinten zu rutschen, doch da die Wand dort war, ging das nicht. Sailin. Ich will dir doch nichts tun. Wir sind es doch, meinte der schwarzhaarige Mann. Lass mich in Frieden, meinte sie, schaute kurz zu Kyle und dann wieder zu Wahn. Der Mann machte in seiner Bewegung Halt und sah zu Sulona. Die zuckte mit der Schulter. Ich habe nicht gesagt, sie wäre wieder sie selbst. Jedenfalls hat sie noch keine Anstalten gemacht uns anzugreifen. Kyle sah zu Wahn. Der junge Mann war ohne Bewusstsein. Der Kragen, welchen Wahn getragen hatte, lag auf dem Schrank neben dem Bett.

Ich habe dir doch gesagt, lass sie nicht so oft zu ihm, fauchte Margaroth den Inquisitor an. Der Mann saß auf seinem Thron und schaute zu dem Vermummten. Neben diesem stand Avestia. Sie sah wieder völlig in Ordnung aus. Margaroth bemerkte den Blick des Mannes. Nein, sie ist nicht wieder völlig genesen. Doch sie wird nicht mehr daran sterben. Die Frau hob ihren Arm und machte eine Bewegung mit der Hand. Was machen wir jetzt wegen dieser Göre und ihren Wächter? Die Augen der Frau funkelten auf. Er wird noch dafür büßen mir das angetan zu haben. Menethil richtete sich etwas auf. Es hätte alles wunderbar geklappt, wenn die Maske auch funktioniert hätte. Maragroth sah zu dem Inquisitor. Bei dem Jungen muss man mit allen rechnen. Und dass er Sailin wieder beeinflussen konnte, zeigt das. Der Zauber auf ihr ist stark, doch ich fürchte, er wird ihn schon irgendwie brechen können. Und dann ist es nur eine Frage der Zeit, bis sie wieder normal im Kopf ist. Da war meine ganze Arbeit umsonst mit ihr. Menethil lachte. Der Bursche wird zurzeit sicher zu nichts kommen. Der ist schwer verletzt. Also mach dir um deine kostbare Tochter keine Sorgen. Maragroth wendete sich vom Inquisitor ab. Nur, weil er verletzt ist, heißt das nicht, dass er nur daliegt und nichts tut. Wir sollten unsere nächsten Schritte planen. Avestia steht wieder zur Verfügung. Ich lasse sie bei dir. Mit diesen Worten verschwand der Mann im Schatten.

Nero saß zusammen mit Fayt in einem Zimmer. Der Sohn Varreshs saß auf dem Bett und fuhr sich über die Beine. Die Verbrennungen waren teils noch zu sehen, aber bei weiten nicht mehr so schlimm. Er schmierte sich gerade eine Salbe darauf, die er von seiner Schwester bekommen hatte. Dann begann er, sie einzuwickeln. Nero wirkte irritiert. Ich habe gehört, du wurdest beinahe auf einem Scheiterhaufen verbrannt? Fayt nickte. Das stimmt. Man sieht es auch noch an meinen Beinen. Sie waren völlig, sagen wir beschädigt. Aber das Blut in meinen Adern hat das wohl allmählich geheilt. Ohne das wäre ich schon längst Tod. Aber was rede ich, du müsstest es am besten wissen. Nero legte den Kopf schief. Er saß neben Fayt auf dem Bett. Dieser nahm ihm nun einfach die Halbmaske vom Gesicht und sah sich dessen rotes Auge an. Mein Vater ist ein Dämon so wie deiner. Aber ich verdamme ihn nicht dafür. Das einzige Problem, das ich habe, ich kann es nicht kontrollieren. Du wie es aussieht schon. Nero zuckte mit den Schultern. Um ehrlich zu sein weiß ich nicht genau wie es bei mir ist. Ob ich nun ein Dämon bin oder nur etwas anders als ein Mensch. Fayt seufzte. Das wirst du schon noch erkennen. Aber du hast Hilfe dabei. Ich glaube nicht, dass dein Vater dich damit alleine lässt. Nimm diese Hilfe an. Nero stand auf. Danke Fayt. Ich werde mal zu ihm gehen.
Nero lief aus dem Zimmer und machte sich auf den Weg zu dem Tempel. Die Wachen davor ließen ihn passieren. Als Nero das Zimmer betrat, in dem Wahn und Sailin sich befanden. Als er seinen Vater sah, musste er schlucken. Fast das ganze Gesicht von ihm war verbunden. Die Haare und das linke Auge so wie die Nase und Mund lagen noch frei. Auf der anderen Seite saß Sailin einfach auf dem Bett und starrte Wahn an. Rühren tat sie sich allerdings nicht. Nero setzte sich auf einen Stuhl.