Die Dunkelheit verdirbt alles, was sie nur verderben kann. So wie sie es auch einst mit dem ersten Wächter, dessen Name vergessen wurde, tat. Oder den Schatten. Ich frage mich nur, warum nun auch alle anderen Wächter verdorben wurden und wovon. Wahn fasste sich kurz an den Hinterkopf. Wir können die Wächter und Hüterinnen bezwingen, aber was dann? Was ist die Ursache von alledem. Das war sicher nicht Menethil. Er scheint stark zu sein, aber diese Macht besitzt er nicht.

Du meinst also hinter Menethil steht noch jemand anderes und zieht die Fäden? Könnte das Margaroth sein?, fragte Kyle und verschränkte die Arme. Bowen machte einen Schritt auf alle zu. Dieser Margaroth ist aber erst ziemlich spät aufgetaucht. Da war alles schon geschehen.
Sailin sah auf Wahns Arm und betrachtete das Wächterrelikt. Wahn? Damals, als wir in dem Tempel waren, als ich Hüterin wurde und du mein Wächter, da trafen wir doch den Vergessenen. Bisher sind doch alle Hüterinnen und ihre Wächter verdorben wurden. Meinst du, der Vergessene könnte dies auch sein? Oder uns helfen? Die junge Frau schaute Wahn an. Vielleicht finden wir ja irgendetwas in diesem Tempel heraus. Ich meine, denn wo wir zurückgeholt wurden.

Mich wundert es das er überhaupt hier ist gab Wahn nun von sich. Margaroth war stets im Nebelreich. Also muss die Nebelgrenze hier entweder auch gefallen sein oder aber es gab nie eine zu Nerevar. Aber was Sailin sagt, sollten wir in Betracht ziehen. Wenn alle Hüter und Wächter verdorben wurden, dann könnte auch der älteste von ihnen betroffen sein. Plötzlich gab er einen schmerzverzerrten Laut von sich. So ein Mist, murmelte er. Tut das weh. Er führte seine linke Hand automatisch zum Gesicht, stoppte dann aber.

Sailin rutschte noch etwas nach vorne auf dem Bett und sah besorgt zu Wahn. Dann wandte sie sich aber an Kyle. Kannst du Schmerzmittel für ihn holen? Am besten ziemlich starkes. Der schwarzhaarige Mann nickte und verließ sofort den Raum. Während Kyle das Mittel besorgte, setzte sich Wahn wieder auf sein Bett. Nero und Sailin stellten sich besorgt daneben. Als die Tür aufging, kam Kyle wieder herein. Hinter ihm trat auch Sulona in den Raum. Sailin!, sagte diese freudig, als sie die junge Frau an dem Bett stehen sah. Du bist wieder du selbst? Die junge Hüterin hob ihre Hand und lächelte die Halbelfe an. Dabei klapperte die Kette an dem Handgelenk. Hey!, murrte Kyle als Sulona ihm eine auf den Hinterkopf gab. Warum hast du ihr noch nicht die Dinger abgemacht?, fragte sie und lief zu Sailin. Was ist wichtiger? Schmerzmittel oder Ketten?behauptete er. Sulona ignorierte ihn und machte sich an den Ketten zu schaffen. Kyle zuckte mit den Schultern und setzte sich zu Wahn auf das Bett. Dort gab er ihm die Spritze mit dem Schmerzmittel. Danke, lächelte Sailin als ihre Hände wieder frei waren. Schön, dass du wieder du selbst bist. Wir haben uns ziemliche Sorgen gemacht, meinte Sulona und drehte sich dann zu Wahn um. Wie geht es dir?, fragte sie diesen besorgt. Ich hoffe, die Verbände sind nicht zu eng.

Wahn schüttelte sachte den Kopf. Nein schon in Ordnung. Danke für deine Fürsorge. Du hast wohl echt viel von deiner Mutter gelernt. Ray hatte sich an eine Wand gestellt und die ganze Zeit zugehört. Ich weiß nur nicht, was nun werden soll. Ich meine, mein Körper ist in der Lage Wunden schneller zu heilen, aber das. Vorsichtig stützte Wahn seinen Kopf ab. Na hey sieh es doch mal so, begann Ray jetzt. Frauen stehen doch auf Narben und davon hast du jetzt eine Menge vorzuzeigen. Wahn sah ihn giftig an und der junge Mann drehte sofort den Kopf weg.

Sailin sah kurz geschockt auf Ray und dann wieder zu Wahn. Nach kurzer Zeit schaute die junge Frau betrübt zu Boden. Die Halbelfe schaute zwischen Wahn und Sailin hin und her. Plötzlich hörte man ein Klatschen. Sulona hatte Ray eine heruntergehauen. Du Hohlkopf. Kannst du nicht mal nachdenken, bevor du etwas sagst?, fauchte sie ihn an.

Hey, protestierte Ray. Das war doch gut gemeint. Wahn winkte ab. Ich glaube, du würdest es auch nicht toll finden, wenn jemand so etwas zu dir sagt, wenn du eine entstellte Fresse hast. Vollidiot echt.

Dir fehlt eindeutig das richtige Feingefühl, sagte Bowen und legte Ray eine Hand auf die Schulter. Schau. Du hast nicht nur Wahn damit beleidigt, sondern auch noch in Sailins Wunden gepult. Die junge Hüterin setzte sich zu Wahn auf das Bett, wo Kyle vor paar Sekunden noch gestanden hatte. Betrübt schaute sie den Wächter an.
Kyle schaute zu Sulona. Wo ist eigentlich Raven? Die Halbelfe schaute auf. Der ist ein wenig spionieren gegangen. Bowen hat ihm so einige Stellen in Alvengarde genannt. Er wollte schaun was da jetzt so vor sich geht. Schließlich hat der Inquisitor wieder eine Niederlage erlitten als er Wahn nicht nochmal kontrollieren konnte.

Es vergingen einige Tage. Raven war bereits zurückgekehrt und hatte den anderen berichtet, dass Avestaia wieder zurück war und Wahns Angriff ohne Erfolg blieb. Die meiste Zeit lag Wahn einfach im Bett und schlief. Die Schmerzmittel hinterließen bei ihm eine leichte Benommenheit. Dennoch nahm er sie regelmäßig. In der Nacht, als er vor einem Spiegel stand und die Schmerzmittel nehmen wollte, stellte Wahn sie plötzlich einfach zurück. Dann packte er das Ende des Verbandes und begann ihn langsam zu lösen. Dabei hielt er den Kopf gesenkt. Als der Verband sich vollständig gelöst hatte, tastete Wahn vorsichtig die vernähten Stellen ab. Dann hob er den Kopf an und sah in den Spiegel. Eine Weile starrte er einfach sein Spiegelbild an. Die Finger berührten eine Stelle an seiner Lippe, über die ebenfalls ein Schnitt verlief, der allerdings nicht genäht worden war, aber dennoch eine Narbe hinterlassen würde. Plötzlich packte sich Wahn einfach die Schmerzmittel, ging ein paar Schritte zurück und schleuderte sie gegen den Spiegel. Dabei brüllte er wütend auf.

Sailin sass in ihrem Zimmer auf dem Bett und starrte zum Fenster hinaus. Sie konnte die letzten Tage nicht besonders gut schlafen. Immer wieder musste die junge Frau daran denken, was vorgefallen war. Ihre Gedanken waren wieder klar und Sailin wusste, was alles geschehen war. Nicht nur, dass sie Wahn verletzt hatte, als sie ihm mit Nero die Maske entfernte. Sie hatte ihn auch noch angegriffen. Wahn sagte zwar es wäre okay und niemand würde ihr das übel nehmen, doch sie tat es. Wie hatte sie dies nur tun können? Niemals würde sie sich das verzeihen können. Sailin schaute auf das Bett. Immer wenn sie versuchte zu schlafen, sah sie das entstellte Gesicht Maragroths vor sich. So wie er als Mensch aussah. Nicht lebend, doch auch nicht tot. Die junge Frau zupfte an ihren Haaren. Einst waren sie genauso weiß wie die ihres Vaters gewesen.
Sie sprang auf, als sie aus dem Zimmer neben sich Glas scheppern hörte und dann Wahns Brüllen. Sofort lief sie aus dem Zimmer und stürmte in das von Wahn. Erschrocken sah sie, wie der Spiegel völlig zerbrochen war. Die Scherben lagen auf dem Boden, mehrere Tabletten lagen verstreut in diesen. Wahn stand etwas abseits und hatte den Kopf gesenkt. Der Verband an diesem war ab. Wahn, sagte Sailin betroffen und machte einige Schritte auf den jungen Mann zu. Das Glas splitterte unter ihren Füßen.

Sie werden dafür büßen, knurrte der junge Mann. Er stand mit dem Rücken zu Sailin. Die Hände waren zu Fäusten geballt. Margaroth und Menethil. Sie werden beide dafür bluten, das schwöre ich. So war ich hier stehe. Nun drehte er etwas seinen Kopf zur Seite. Seine Augen flammten rot und die scharfen Fänge waren hervorgetreten.

Wahn, meinte Sailin nochmal und lief um den Mann herum. Als sie ihn dann richtig sehen konnte, stockte der jungen Frau kurz der Atem. Erst jetzt sah sie das ganze Ausmaß von Wahns Verletzungen. Zu jenen, welche er bekommen hatte, als sie die Maske abgezogen hatten, waren noch zahlreiche neue dazu gekommen. Überall in seinem Gesicht waren die roten Schnitte zu sehen, welche durch die Fäden zusammengehalten wurden. Nur ab und an war mal eine Wunde da, welche nicht genäht werden musste. Oh Wahn, sagte Sailin und hob ihre Hand. Vorsichtig wollte sie seine Wange berühren, hielt dann aber mitten in der Bewegung an. Ihre Hand zitterte.
Die junge Frau sackte plötzlich zusammen und landete mit ihren Knien auf dem Boden. Tränen rannen über ihre Wangen. Wirst du mir das jemals verzeihen können? Nur weil ich, trotz Neros Warnung, dir die Maske abnahm und mich dann noch von ihm habe gefangen nehmen lassen, konnte das erst alles geschehen. Wenn ich nicht gewesen wäre, hättest du Avestia töten können und dir wäre das erspart geblieben. Das werde ich mir nie verzeihen können.

Das rote Leuchten in Wahns Augen hörte schlagartig auf. Er kniete sich zu Sailin runter und nahm sie einfach in den Arm. Es gibt da nichts, was ich dir verzeihen müsste⁣, sagte er. Du bist nicht Schuld daran. Warum willst du sie dir denn unbedingt geben? Ob Avestia gefallen wäre oder nicht, es wäre dennoch geschehen. Der Kerl hätte halt eine andere Hüterin dazu gebracht. Mensch Sailin bitte hör auf, damit dir immer die Schuld zu geben. Hierfür kannst du nichts.

Sulona stand an der offenen Tür und schaute betroffen zu den Beiden. Als Kyle und Raven angerannt kamen, schüttelte die Halbelfe nur den Kopf und wies beide an wieder zu gehen. Hier würde ihre Hilfe sicher nicht gebraucht.
Sailin umarmte Wahn einfach und hatte ihren Kopf auf seine Schulter gelegt. Er machte ihr keine Vorwürfe und meinte, es gäbe nichts zu verzeihen. Dies zu wissen, beruhigte die junge Frau ungemein. Als sich die beiden voneinander lösten, sah Sailin eine Bewegung in ihrer Nähe. Die junge Frau schaute zur Seite und erkannte Sulona. Diese warf der Hüterin einen Verband zu. Das sollte er wieder im Gesicht haben, meinte die Halbelfe nur. Kurz schaute sie Wahn wehleidig an, dann verließ sie das Zimmer wieder. Sailin grinste kurz wehleidig und hielt Wahn den Verband vor die Nase. Darf ich?, fragte sie und legte den Kopf schief. Oder willst du so herumlaufen?

Ich weiß nicht wirklich, was schlimmer ist, murmelte er. Nur zu. Tu dir keinen Zwang an. Und am besten gebt ihr mir danach einen Sack, den, ich mir über den Kopf ziehen kann. Er seufzte und ließ den Kopf hängen.