Sailin ging es nicht gut. Die junge Frau wusste, dass Wahn etwas verheimlichte und es machte ihr fürchterlich zu schaffen. Sie fühlte sich wie damals, als er schonmal nicht mit ihr über etwas reden wollte. Doch diesmal war es etwas anders, Wut und Zorn mischten sich darunter, weil Wahn dies schon wieder tat. Warum machte er das immer wieder? Vertraute er ihr nicht? Sailin dachte, bei ihr wäre es anders. Sie kannten sich doch schon so lange und waren immer füreinander da. Doch dann machte er immer wieder so etwas. Die junge Frau stand am Fenster in ihrem Zimmer und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Ihr war so elendig warm. Und das lag sicher nicht am Wetter. Als sie auf die Straße sah, erblickte die junge Frau Wahn. Der Mann lief die Straße hinunter in Richtung Ausgang. Sailin beschloss, ihm zu folgen. Irgendetwas sagte ihr, sie sollte das tun.
Sailin verfolgte ihn eine ganze Weile. Als sie an der Lichtung mit dem See ankam, blieb die Hüterin abrupt stehen. Da stand Laree und etwas abseits dieser Jungen. Sailin ballte ihre Hände zur Faust. Ich wusste es Wahn, rief sie laut und kam dann etwas näher heran. Mit was drohst du ihm diesmal, du elendige Schnepfe?


(rückerzählung? )

Laree sah wütend zu Sailin. Wie hast du mich da gerade genannt? Ist das nicht unter deinem Niveau? Dann wandte sie sich an Wahn. Dir war schon klar, dass niemand davon erfahren sollte. Nun drehte sich der Schwarzhaarige zu der Hüterin. Sailin bitte geh, du bringst ihn damit um. Laree lachte böse auf. Soll sie doch zusehen. Das macht es um so interessanter. Dieses Mauerblümchen.

Ihn umbringen? Wer ist er den, dass du ihn anscheinend schützen willst und dich einfach verdrückst? Sailin schaute einerseits verwirrt, doch auf der anderen war sie noch immer sauer. Die Hüterin schaute Laree an. Was hast du vor? Wobei soll ich zusehen?

Wahn stellte sich nun vor Sailin. Hör mir zu. Dieser Junge. Nero ist das Kind von Lara Reynold. Ich wusste es nicht. Ich wusste nicht, dass sie schwanger war, als sie starb. Sie müssen das Kind gerettet haben. Irgendwie. Nero ist mein Sohn und wenn ich jetzt nicht tue, was Laree verlangt, dann tötet sie ihn. Er ging ein paar Schritte zurück. Ich konnte ihm nie ein Vater sein. Jetzt kann ich aber auch nicht zulassen, dass er durch mich stirbt. Wahn drehte sich um und lief zu Laree. Er sah zu ihr. Tu, was du nicht lassen kannst. Ich gebe auf.

Sailin starrte Wahn an, als ob man ihr gerade mitten ins Gesicht geschlagen hätte. Als er zu Laree ging, rief Sailin auf. Du glaubst doch nicht wirklich, dass ich einfach ruhig herumstehe und zusehe. Sailin wollte zu der Frau laufen, doch plötzlich wurde die Hüterin von zwei Männern gepackt, welche wie aus dem Nichts auftauchten. Die junge Frau versuchte freizukommen, doch der Griff der Beiden war zu stark. Wahn, stieß sie aus. Tu das nicht. Von der Seite kamen zwei weitere Männer. Während der eine die traditionelle Wächterkleidung trug, hielt der andere die schwarze dämonische Maske in der Hand. Nicht Wahn. Sailin funkelte Laree wütend an. Das wirst du noch bereuen.

Wahn zog sich freiwillig den langen Lederrock über. Dann zwang man ihn in die Knie und zog ihm das Oberteil aus. Die beiden Männer hinter ihm legten ihn die schwarzen Reifen und den schwarzen Eisenkragen um. Es tut mir leid, Sailin , meinte Wahn leise. Bitte hilf den Jungen. Er wurde auf den falschen Weg geführt. Laree kam auf ihn zu und hielt nun die Maske in der Hand. Ich bin mal so großzügig und werde dir keinen Schwur abverlangen Wahn d Fay. Denn einst schworst du mir bereits die Treue. Jetzt fordere ich sie ein. Wahn senkte den Kopf.

Wahn!, rief Sailin nochmal. So sehr die junge Frau sich auch gegen die beiden Männer stemmte und versuchte sich loszureißen, sie schaffte es einfach nicht. Hilflos musste sie zusehen, wie Laree, mit einem finsteren Lächeln, Wahn die Maske aufsetzte. Während sich der junge Mann kurz aufbäumte und dann regungslos vor der verdorbenen Hüterin kniete, schrie Sailin Wahns Namen. Dann hing sie einfach nur noch schlaf in den Armen der Männer. Wahn, jammerte sie.

Laree lachte auf. Endlich gehört er wieder mir. Der mächtigste Wächter aller Zeiten ist zu mir zurückgekehrt. Nun sah sie zu Sailin. Du warst ihn ohnehin nicht wert. So ein bemitleidenswertes Wesen. Erhebe dich mein Wächter. Sie streckte die Arme nach oben und Wahn richtete sich auf. Ein Mann warf ihn einen dunklen Speer zu, welchen er einfach auffing. Schließlich blieb er neben der verdorbenen Hüterin stehen.
Laree sah nun zu Nero. Dieser schien alles noch nicht wirklich begriffen zu haben. Sie ging auf ihn zu. Danke dir Junge. Durch deine Hilfe konnte ich meinen alten Wächter wiederbekommen. Nun bist du mir nicht weiter von nutzen. Plötzlich hatte sie einen Dolch in der Hand und rammte ihn den Jungen in den Bauch. Dieser sah sie starr an und ging dann in die Knie. Was? Aber warum?, fragte er, noch eher er zu Boden sank. Wahn rührte sich nicht und die Hüterin lachte finster. Wir gehen. Hier gibt es nichts mehr für uns. Leb wohl Versagerin. Große Töne spucken kannst du ja, aber du warst nicht mal in der Lage seinen letzten Wunsch erfüllen und so etwas will sich Hüterin schimpfen. Mit einem Lachen zog sich Laree samt ihren Männern und ihrem Wächter zurück.

Sailin hockte einfach nur da und starrte auf den am Boden liegenden Jungen. War das gerade wirklich geschehen? Wahn, murmelte sie, während sich Tränen in ihren Augen sammelten. Taumelnd richtete sie sich schließlich auf und lief zu dem Jungen. Vorsichtig drehte sie ihn um. An der Seite, wo der Dolch ihn getroffen hatte, waren seine Sachen schon ganz blutig. Während der jungen Frau die Tränen über die Wangen liefen, legte Sailin ihre Hände über die Wunde. Ein warmes Licht umspielte ihre Finger. Nach kurzer Zeit hatte die Verletzung wenigstens aufgehört zu bluten. Etwas von sich entfernt sah Sailin Wahns Reif. Sofort nahm sie diesen an sich. Ohne großartig zu überlegen, nahm Sailin den Jungen dann huckepack. Sie musste ihn in die Feste bringen. Wenn es stimmte und Nero Wahns Kind war, dann würde ihre Heilkraft nicht ausreichen. Die Stichwunde müsste noch genäht und weiter versorgt werden. Während sie mit dem Jungen zu der Festung taumelte, wurde ihr immer wärmer. Was war das nur? Kurz bevor Sailin das Tor erreichte, brach die Hüterin zusammen. Nero lag halb auf ihr drauf. Wahn, murmelte Sailin noch bevor sie das Bewusstsein verlor.

Raven, welcher gerade auf der Mauer seine Runden drehte, erblickte die am Boden liegenden Personen. Verdammt, knurrte der Mann und schrie nach Kyle, welcher nicht weit entfernt stand. Die beiden Männer rannten vor das Tor und knieten sich sofort zu Sailin und dem Jungen herunter. Vorsichtig nahm Raven den Jungen von der Hüterin, dabei sah er die Stichwunde. Was?, brachte er nur heraus. Kyle drehte Sailin um und sah, dass die junge Frau fürchterlich schwitzte. Das Atmen fiel ihr schwer. Wir bringen sie sofort rein, sagte der schwarzhaarige Mann und hob Sailin auf. Während die beiden Männer Sailin und den Jungen in die Feste brachten, trafen sie auf Ray. Gut das du kommst. Hol den Mentor. Da muss was passiert sein. Ohne auf Rays Antwort zu warten, liefen die beiden weiter. In einem größeren Zimmer, mit mehreren Betten, legten sie Sailin und den Jungen nieder. Sulona kam ebenfalls sofort an, als sie das sah. Was ist passiert?, fragte sie sofort und setzte sich an Sailins Bett. Kurz fasste sie ihr an die Stirn. Sie glüht ja förmlich.

Nocturn lies nicht lange auf sich warten. Er fasste Sailin an die Stirn und sah sich die Wunde des Jungen an. Holt etwas zum kühlen für die junge Hüterin. Ray, der ebenfalls mitgekommen war, rannte los und kam mit einem Eimer Wasser wieder. Sie legten Sailin einen nassen Lappen auf die Stirn. Nocturn saß indessen bei dem Jungen. Wer ist das? fragte er. Da keiner eine Antwort wusste, drehte er sich wieder um. Sieht nach einer Einstichwunde aus. Vermutlich ein Dolch. Nocturn versuchte die Blutung zu stillen und die Wunde zu nähen.

Sailin, sagte Sulona besorgt, als die junge Frau plötzlich ihre Augen öffnete. Dieser liefen plötzlich die Tränen aus den Augen, während sie schwer atmete. Was?, fragte die Bogenschützin, als die Hüterin ihr plötzlich einen Reif gab. Sulona schaute auf das dunkle Wächterrelikt. Rote, dunkle Runen waren auf diesem zu sehen. Sie hat Wahn, murmelte Sailin. ...hat ihn erpresst mit dem Jungen. Sailin drehte kurz ihren Kopf und schaute zu dem anderen Bett. Nero...Wahns Sohn, sagte sie noch, dann verlor Sailin wieder das Bewusstsein. Sulona schreckte zusammen. Hey Sailin! Ich fürchte, sie hat sich ziemlich was eingefangen, als sie so klatschnass war. Sofort schaute die Bogenschützin zu Nocturn und hob den Reif hoch, damit ihn alle sehen konnten.
Raven seufzte. Das ist schlecht. Kein Wunder, dass wir Wahn nicht finden konnten. Kyle schaute erst auf den Reif, dann ungläubig auf den Jungen. Sein Sohn? Wie ist das denn möglich?

Nocturn schüttelte den Kopf. Das ist mehr als nur schlecht, wenn Wahn nun ebenfalls korrumpiert wurde. Soluna kümmere dich bitte um Sailin. Was den Jungen angeht, er braucht jetzt einfach Ruhe. Kurz sah er auf die Halbmaske, die der Schwarzhaarige trug. Ray wollte schon danach greifen, als der ehemalige Schatten den Kopf schüttelte. Ray ließ davon ab. Nocturn verließ den Raum.

Kyle lief durch die Gänge des Gebäudes. Der Mann musste die ganze Zeit darüber nachdenken, was nun alles auf sie zukommen würde. Jetzt, wo sie sogar Wahn hatten, stand es noch schlechter um sie. Mitten im Laufen stoppte Kyle plötzlich und starrte fassungslos den Gang hinunter. Sailin?, fragte der Mann verwirrt, als er die junge Frau sah. Sie lief die Wand entlang und hielt sich dabei an dieser fest. Was tust du hier? Kyle lief sofort zu ihr. Die junge Frau sah furchtbar aus und konnte anscheinend kaum auf den Beinen stehen. Wir müssen Wahn helfen. Er darf nicht für so etwas benutzt werden, keuchte sie. Plötzlich gaben ihre Beine nach. Kyle fing sie auf und hob Sailin hoch. Du wirst gar nichts machen. Außer dich ausruhen.

Sulona stand, mit mehreren Decken in der Hand, fassungslos an der Zimmertür und starrte auf das leere Bett. Wo war Sailin denn jetzt abgeblieben? Ich glaube, du vermisst jemanden, sagte plötzlich Kyle. Die junge Frau drehte sich um. Der schwarzhaarige Mann kam langsam auf die Bogenschützin zu. In seinen Armen lag Sailin. Die junge Frau hatte ihre Augen geschlossen und atmete schwer. Was zum?, brachte Sulona heraus. Ich war nur kurz die Decken holen. Sie wollte Wahn helfen gehen, meinte Kyle und ging in das Zimmer. Dort legte er Sailin in das Bett. Während er einen Lappen nass machte, deckte Sulona die Hüterin mit mehreren Decken zu. Wir sollten aufpassen, dass sie nicht nochmal abhaut, lächelte die junge Frau kurz. Kyle nickte und schaute zu dem Bett des Jungen.

Menethil saß auf dem Thron und klopfte mit einem Finger an der Seitenlehne herum. Ein Mann tauchte aus dem Schatten auf. Er war komplett von einem schwarzen Umhang verhüllt. Der Inquisitor schaute den Mann kurz an. Was treibt sie so lange?, murrte er. Ist das nicht egal, so lange wie sie mit Anima wiederkommt?, sagte der Vermummte. Menethil lachte amüsiert. Der Bengel wird sicher sein Leben ausgehaucht haben. So schätze ich sie jedenfalls ein.

Laree betrat den Saal des Inquisitors mit schwingender Hüfte und ihre eine Hand an diese angelegt. Während die andere den verdorbenen Stab umfasste, kam sie auf Menethil zu. Und hier bin ich wieder Inquisitor. Schau, wen ich mitgebracht habe. Sie verneigte sich kurz. Neben ihr lief ein junger Mann mit einer dunklen Wächtermaske und dem Zeichen Animas auf der Brust, das nun für jeden sichtbar war, da sein Oberkörper nun frei lag. Er gehört jetzt mir und ist wieder mein Wächter.

Sehr schön, sagte Menethil und beugte sich etwas nach vorne. Jetzt, wo Anima in unserer Hand ist, werden wir diese Würmer mit Leichtigkeit vernichten können. Der Inquisitor schaute zu Laree. Und du kannst nun wieder mit einem Wächter vor den anderen Hüterinnen auftreten. Das wolltest du doch. Der Mann lehnte sich zurück und legte beide Arme auf die Lehnen. Wie ich sehe, bist du ohne den Jungen zurückgekehrt. Habe ich mir fast gedacht. Was ist mit der Hüterin? Der Vermummte betrachtete Laree stillschweigend. Wie ich dich einschätze, hast du sie leben lassen, um sie leiden zu sehen. Ich hoffe für dich, dass dies kein Fehler war. Sie hatte schon öfters die lästige Gewohnheit ihren Wächter zurückzubekommen.