Wahn sah weiterhin nach unten, als er sprach. Es war ihm einfach unangenehm, dass nun jeder die vielen Narben sehen konnte. Ich bin froh, dass es dir gut geht. Margaroth hätte fast Erfolg gehabt mit seiner List, wenn Raven dich nicht gerettet hätte. Ich konnte nicht.

Sailin schaute zu Wahn rüber und dann zu Raven. Ich danke dir dafür. Ich habe gemerkt, dass mein Sturz gebremst wurde, doch habe ich nicht mehr mitbekommen, dass du es warst, versuchte sie den Rothaarigen anzulächeln. Dieser winkte nur mit der Hand ab. Kein Thema. Wirklich nicht. Die junge Frau stand auf. Wirklich gut ging es ihr nicht. Jede einzelne Bewegung tat ihr weh. Kurz schaute sie auf das Bett, wo Nero drauf lag. Geht es ihm gut?, fragte sie sofort. Sulona machte gerade den Verband um Wahns Wunde. Kurz schaute sie zu Sailin und nickte. Ja. Aber er wird sicher tierische Kopfschmerzen haben, wenn er aufwacht. Die junge Hüterin nickte und lief zu Wahn. Sie setzte sich vorsichtig vor ihn und hob seinen Kopf etwas an. Dann schaute sie ihn tief in die Augen und lächelte etwas. Du konntest nur einen von uns fangen und genau das hat Margaroth beabsichtigt. Mach dir keinen Kopf, okay?

Wahn seufzte. Ich weiß, dass er genau das wollte und bin einfach froh, dass sein Plan kein Erfolg war. Avestia ist entkommen. Ich konnte sie nicht besiegen. Das hat Margaroth nicht zugelassen. Aber wie soll es nun weiter gehen? Wahn legte automatisch eine Hand über sein Gesicht und drehte sich etwas weg.

Sailin schaute Wahn betrübt an. Sie ließ sich von Sulona das Verbandsmaterial geben, nachdem diese fertig war. Dann verband sie wieder Wahns Wunden im Gesicht. Während die Hüterin dies tat, ging Sulona zu Raven. Sie wollte nicht, dass sich Wahn noch unwohler fühlte. Weißt du, was Kyle macht?, fragte sie den Rothaarigen. Dieser schüttelte nur den Kopf. Gleich nachdem Sailin fertig war, reichte Sulona ihm das Oberteil und den Umhang. Kaum hatte Wahn ihr die Sachen abgenommen, kam Kyle in das Zimmer. Bowen folgte ihm. Der Magier lächelte Sailin an. Schön, dass es dir gut geht. Sailin nickte nur knapp. Was sollte das alles vorhin?, fragte die junge Hüterin nun. Kyle kratzte sich am Kopf. Nun, Bowen hat ein paar seiner Beziehungen spielen lassen. Da er ein angesehener Soldat unter Menethil war, haben viele Wachen auf ihn gehört und die Seite gewechselt. Bowen nickte. Ich habe ihn mal ordentlich was erzählt. Die meisten haben anscheinend dadurch mal in sich geschaut. Verstehe, sagte Sailin und setzte sich etwas bequemer auf das Bett von Wahn.
Kyle nahm seine Hand runter und schaute ernst. Wir haben allerdings ein Problem. Bowen hat bei der Aktion mitbekommen, dass Menethil die Truppen zusammenziehen will. Anscheinend ruft er die Hüterinnen zusammen und will gegen die Feste marschieren. Noch sind viele Männer in der Armee, welche für uns kämpfen würden. Doch wenn Margaroth und Avestia hiervon erzählen, dann wird es eng. Nicht nur für diese Männer, sondern auch für uns.

Und was sollen wir dagegen tun? hackte Wahn nach. Wir können nicht jeden Wächter und jede Hüterin besiegen. Und Menethil und seine Inquisition sind auch noch da. Noch dazu wissen wir nicht, was Margaroth nun vorhat. Die Sache sieht übel aus. Er ließ wieder den Kopf hängen. Außerdem möchte ich noch eine Warnung aussprechen. Die Türme bei der Feste. Sie sind nicht wie jene aus Antarres. Sie agieren nicht eigenständig. Meine Magie hält sie am Laufen. So auch das Schild. Auch wenn ich das ungern sage, aber sollte mir was passieren fällt der Schild.

Kyle schaute zu Wahn. Was der junge Mann da sagte, stimmte. Ihre Lage war so oder so bescheiden. Und was, wenn wir Menethil direkt angreifen?, fragte Bowen nun. Kyle sah den Mann fragend an. Das wäre doch erst recht Selbstmord. Bowen winkte mit einer Hand ab. Nicht, wenn wir ihn täuschen. Wahn, du sagst, wenn dir was passiert stellen auch die Türme ihre Funktion ein. Nun dann solltest du vielleicht in der Feste bleiben. Was würde das bringen?, fragte Sailin verwirrt. Ich kenne mich in Alvengarde sehr gut aus. Ich weiß wo Geheimgänge im Palast sind, welche Menethil nicht kennt. So wie ich den Mann einschätze, wird er die Hüterinnen und Wächter vorschicken, um die Feste der Legion anzugreifen. Er wird sicherlich erst später dazustoßen. So hat er es immer gemacht, selbst als er noch kein Inquisitor war. Ich habe von Kyle erfahren, wer du bist, Wahn. Ohne dich macht die Legion nichts, beendete Bowen. Sulona schaute den Mann völlig verwirrt an. Was, wenn wir uns den Umstand zunutze machen. Während Wahn mit einigen Leuten in der Feste bleibt, marschieren einige nach Alvengarde. Die übergelaufenen Männer sind noch immer dort. Der Trupp könnte durch die Gänge problemlos zu Menethil gelangen, während dieser seine Truppen zur Festung entsendet. Wenn Wahn dort ist, werden sie nicht damit rechnen, dass wir nach Alvengarde kommen. Wenn die Truppen unterwegs sind, können wir zuschlagen Bowen wirkte von seinem Plan überzeugt.

Könnte funktionieren meinte Wahn nun. Wobei ich sagen muss, dass ich ungern einfach nur warte. Und eine Frage stellt sich mir da noch. Woher will er wissen, wo ich bin? Der Kerl kann mich nicht spüren oder so.

Ich bezweifel das du nur warten musst. Wenn die Hüterinnen und Wächter bei euch ankommen, werdet ihr schon genug zu tun bekommen. Bowen verschränkte die Arme. Es gibt immer Mittel und Wege jemanden zu informieren, wo eine Zielperson ist. Wir werden einfach die Information herumstreuen, dass du verletzt und trauernd in die Feste gezogen bist. Ich habe nämlich das Gefühl, dass dieser Margaroth denkt, dass es einer der beiden hier nicht geschafft hat. Der Mann schaute Sailin an. Dass Wahn dann nun ich sage mal schwach ist, werden sie sicher zu ihrem Vorteil nutzen.
Kyle schaute nachdenklich. Der Plan klingt nicht schlecht. Vielleicht sollten wir das wirklich so machen.

Gut dann Spiel ich mal den Trauernden meinte Wahn. Aber dann müssen wir darauf achten das Nero und Sailin nicht entdeckt werden. Der junge Mann sah zu Nero. Dieser regte sich nun, wollte aber nicht so recht aufwachen. Wahn ging zu ihm und streichelte über seinen Kopf. Wir sollten aufbrechen meinte er.

Kyle nickte und verließ kurz das Zimmer. Nach wenigen Minuten kam er mit zwei Umhängen wieder. Während er den einen Sailin gab, reichte er den anderen Wahn. Sie wissen, dass wir zu viert gekommen sind. Wenn ihr alle die Umhänge tragt, dann fällt es mit Sailin und Nero nicht auf. Die Hüterin schaute Kyle fragend an. Kommt ihr nicht mit? Raven machte einen Schritt auf sie zu. Nein. Kyle, Bowen und ich werden mit den Übergelaufenen sofort nach Alvengarde aufbrechen. Wenn wir so wenige sind, wird es nicht auffallen. Verstehe, sagte Sailin. Passt bitte auf euch auf. Die junge Frau zog den Umhang an. Machen wir. Keine Sorge, meinte Kyle. Sulona klopfte Kyle auf die Schulter. Lasst euch nicht umbringen. Der Mann lächelte sie kurz an. Ihr solltet nun gehen. Draußen stehen zwei Pferde für euch. Wir bleiben hier drinnen, damit nichts auffällt.

Nachdem sie Nero auf eines der Pferde gepackt hatten, sprang Wahn aus den Rücken des Tieres und ergriff die Zügel.
Sailin ritt mit Soluna zusammen. Es war Zeit, zur Festung der Legion zurückzukehren. Nach einem längeren Ritt erreichten sie diese. Nocturn wurde sogleich von Soluna und Wahn in den Plan eingewiesen. Der Schatten stimmte zu und veranlasste seine Männer, sich auf eine Schlacht vorzubereiten. Nero war inzwischen auch wach geworden. Er wirkte etwas abwesend. Wen wunderte es, immerhin hatte er gerade erfahren, dass sein Vater Anima war. Fayt blieb bei ihm.

Nachdem Sailin kurz bei Nero und Fayt vorbeigeschaut hatte, lief die junge Frau durch den Flur. Sie war völlig in ihren Gedanken. Etwas machte ihr ziemliche Sorgen. Ihr Wille war zwar frei, doch konnte Maragroth noch immer über ihren Körper beherrschen und sie lahmlegen. Sulona kam um die Ecke und schaute die junge Frau fragend an. Was ist los? Du bist schon seit einiger Zeit so nachdenklich. Sailin sah auf. Nach einer Weile seufzte sie. Sag mal Sulona du beherrschst doch Magie, oder? Die Bogenschützin nickte. Trin wird dir doch sicherlich einiges beigebracht haben. Wieder nickte Sulona. Warum fragst du? Ich glaube, ich brauche mal deine Hilfe in einer ziemlich schwierigen Angelegenheit. Sailin schaute sich im Flur um. Lass uns lieber woanders hingehen. Sulona sah nun völlig verwirrt die Hüterin an. Okay. Komm mit. Ich kenne einen Platz, da sind wir ungestört. Die Halbelfe führte Sailin aus dem Gebäude raus und zu einem ziemlich verlassenen Teil der Feste. Dort auf der Mauer ließen sich die beiden Frauen nieder. Nachdem Sailin der Halbelfe erzählt hatte, dass noch immer Magie auf ihr lag, schaute diese sie geschockt an. Weiß Wahn davon?, fragte sie gleich. Sailin schüttelte den Kopf. Nein. Ich möchte nicht, dass er sich noch mehr Sorgen macht. Er hat schon genug um die Ohren, da will ich nicht auch noch eine Last sein. Du bist doch keine Last für ihn, meinte Sulona und schaute die Hüterin tadelnd an. Sailin lächelte kurz. Ich bin da auf eine Idee gekommen, doch alleine werde ich sie wohl nicht umsetzten können. Sulona legte ihren Kopf schief. Kannst du mich mit einem weiteren Zauber belegen, Sulona?, fragte Sailin plötzlich. Die Bogenschützin war irritiert. Du willst einen Zauber auf dich haben? Warum das denn? Reicht dir einer nicht. Die junge Hüterin schüttelte den Kopf. Es soll sowas wie ein Gegenzauber sein. Einer der den Zauber Margaroths umkehrt. Sulona legte eine Hand ans Kinn. Ah ich verstehe was du dir vorstellst. Doch Sailin, das kann für dich gefährlich werden. Sollten wir nicht lieber mit dem Mentor darüber reden? Sailin schüttelte den Kopf. Er würde sicher nur Wahn Bescheid geben und das möchte ich nicht. Ausserdem ist es besser wenn nur wir beide das wissen. Sulona seufzte. Na gut. Wann soll ich es denn machen? Sailin lächelte erleichtert. Am liebsten sofort. Na schön. Ich muss noch einiges an Zeug dafür holen. Ich werde es hierherbringen und du wartest hier. Dann machen wir das. Danke Sulona. Die Halbelfe stand auf und machte sich auf den Weg.

Währenddessen hatten Kyle und der Rest die Stadt Alvengard erreicht. Nachdem sie sich hineingeschlichen hatten, sahen die Männer, wie Menethil seiner Armee den Befehl zum Angriff gab. Die Truppen marschierten los. Avestia und mehrere andere Hüterinnen zogen los, gefolgt von etlichen Männern der Inquisition. Menethil sah noch eine Weile zu, wie die Truppen marschierten, dann lief er zu dem Palast zurück. Wie es scheint, hast du Recht gehabt Bowen, grinste Kyle.

Nero richtete sich benommen auf. Sein Kopf schmerzte. Er musste unglücklich gefallen sein. Zuerst schüttelte er sich etwas dann versuchte er das geschehe wieder in seinen Kopf zu kriegen. Plötzlich riss er die Augen auf. War es wahr. Hatte er wirklich Anima gesehen in dieser Stadt. Und noch schlimmer. War Anima sein Vater? Plötzlich fühlte er sich merkwürdig beklemmt. Er wollte sich an die Halbmaske greifen beließ es dann aber doch. Muss ein Schock für dich sein oder?fragte jemand neben ihn. Es war Fayt. Warum Anima? brachte Nero hervor. Der Dämon der so viel Schaden angerichtet hat. Den den jeder fürchtet. Und der den die Legion verehrt fuhr Fayt ihn dazwischen. Ich weiß nicht ob es das besser macht gestand Nero. Im Imperium sagte man mir Anima sei ein Teil der Dunkelheit. Fayt sah ihn nachdenklich an. Wovor fürchtest du dich nun mehr? Davor was dein Vater ist oder davor was du sein könntest? Nero sah zu Boden.

Sulona kam nach einiger Zeit wieder. Nachdem sie alle Vorbereitungen getroffen hatte, setzte sich Sailin auf den Boden in einen aufgemalten Zirkel. Sulona kniete sich vor Sailin und nahm ihre Hand. Mit einem Dolch schnitt sie Sailin in die Hand. Das brauchen wir leider auch. Schließe die Augen und sei entspannt. Es könnte allerdings etwas wehtun, meinte Sulona. Super, kommentierte Sailin, schaute auf ihre etwas blutende Hand und schloss die Augen. Die junge Frau hörte, wie die Bogenschützin immer wieder die gleichen Worte murmelte. Nach einiger Zeit durchzog Sailin plötzlich ein starker Schmerz. Er war so heftig, dass es sie sofort umhaute, sie hatte noch nicht mal die Chance irgendetwas zu schreien.
Sulona rutschte sofort richtig zu Sailin und hob sie etwas mit dem Oberkörper hoch. Das die junge Hüterin noch atmete, beruhigte sie erstmal.

Wahn, der auf dem Bett saß, schrak auf. Er starrte auf seinen Armreif. Doch es tat sich nichts. Kurz konzentrierte er sich und versuchte Sailin zu spüren. Dann sprang er vom Bett und lief los. Es dauerte nicht lange, da hatte er den Ort wo Soluna und Sailin sich aufhielten gefunden. Wahn sah nachdenklich zu den beiden. Er bemerkte, dass keine Gefahr für Sailin bestand, doch etwas war seltsam. Was treibt ihr hier? fragte er etwas scharf. Der Zirkel auf dem Boden machte ihn stutzig.